Die heutige Gestalt der Pflegebranche resultiert aus der Geschichte, die historisch gewachsene Gründe für den hohen Anteil der in der Pflege tätigen Frauen und die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung aufdeckt.
Die neuere Geschichte der ambulanten Pflege beginnt mit der industriellen Revolution und der veränderten Wahrnehmung der Begriffe „Krankheit“ und „Gesundheit“ von einer individuellen hin zu einer ökonomischen Größe. Wer krank war, konnte nicht arbeiten und produktiv sein. Dies führte zu der Notwendigkeit sozialer Maßnahmen, die der Staat nur zögerlich von der Kirche und den Wohlfahrtsverbänden übernahm. Hinzu kam der Wandel des Krankenhauses von einer Versorgungsanstalt von zumeist psychisch erkrankten Menschen zu einer Heilanstalt. Bei dieser Trennung wurden zumeist ältere, verwirrte Patienten ausgelagert, was den Beginn der institutionellen Pflege darstellt.
Die industrielle Revolution führte weiterhin zu einer strukturellen Trennung von Erwerbstätigkeit und Familienleben. Der Mann wurde zum Ernährer und die Frau widmete sich den reproduktiven Aufgaben und der Erziehung. Daraus entstand das Bild der Frau als Spezialistin für Zwischenmenschliches, Fürsorge, Liebe, Wärme, Selbstlosigkeit und Aufopferung. Diese „Liebestätigkeit“ wurde nicht als gleichwertige Arbeit anerkannt, was zur Folge hatte, dass die Frau dem Mann unterstellt wurde. Die pflegerische Tätigkeit gehörte demnach zum Aufgabengebiet der Frau, womit die Pflege als „Frauenberuf“ geprägt war. Sie galt ferner als niedere Arbeit, da eine arbeitende Frau suggerierte, dass der Mann nicht für sie sorgen könne. Daher wurde die pflegerische Tätigkeit mit einer geringen Bezahlung anderen Berufen nicht gleichgesetzt.
Der medizinische Fortschritt ersetzte die religiöse oder mythologische Verordnung der Krankheit durch eine naturabhängige Größe. Die Entdeckung der Bakterien als Krankheitserreger und die Erfindung geeigneter Gegenmittel erhob den Ärztestand und trennte ihn von den Patienten. Die Medizin spielte sich vermehrt in den Laboren ab, was zu einem Nachfrageüberhang nach qualitativ gut ausgebildetes Personal führte (Möller & Hasselbarth, 1994, S.78).
Die Krankenpflegerinnen hatten keine freien Arbeitsverträge, sondern wurden durch kirchliche Mutterhäuser vermittelt (Rennen-Allhoff & Schaeffer, 2000, S.17-31). Dies verstärkte die Stellung des Berufes der Krankenpflege als ein weiblich, religiöser, natürlicher Dienst am Menschen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg gründete die ehemalige Rote-Kreuz-Krankenschwester Agnes Karell den „Verband für freiberufliche Krankenpflegerinnen“ und löste die Pflege von den kirchlichen Mutterhäusern (Möller & Hasselbarth, 1994, S.78).
Die Nachfrage nach Pflegepersonal mit fachlichen und sozialen Kompetenzen stieg mit dem aufkommenden Wohlstand der 50er-Jahre. Doch es fehlte an Nachwuchskräften, die unter den vorherrschenden Bedingungen nicht arbeiten wollten. Die Branche reagierte in den 60ern mit der Reduzierung der Arbeitszeit und höherem Lohn. Gleichzeitig fand die Professionalisierung durch den ersten anerkannten Berufsabschluss zur „Krankenpflegehilfe“ 1965 statt (Schmidbaur, 2002, S.37). Das Mutterhausprinzip wurde 1972 vom Berufsverband für Krankenpflege abgelöst (Kreutzer, 2005, S. 96-99).
Der Ursprung der ambulanten Pflegedienste liegt in den Sozialstationen, die Ende der 1960er-Jahre entstanden. Bis 1987 wurde das Netz bundesweit auf 1.600 Stationen mit 36.000 Beschäftigten ausgebaut. Aufgrund des breiten Aufgabenspektrums der Sozialstationen, gerieten diese schnell an ihre Kapazitätsgrenzen. Erst Ende der 1970er und zu Beginn der 1980er-Jahre entstanden parallel die ersten privaten ambulanten Pflegedienste.
Insgesamt zeigt die Geschichte eine stark von Rollenverständnissen geprägte Branche, die spät begann sich zu professionalisieren. Die Abtretung der Fürsorge für ein Familienmitglied an einen Pflegedienst konnte nur schwer gerechtfertigt werden und wurde zögernd von der Gesellschaft akzeptiert. Lange galt die Pflege durch eine Frau als Selbstverständlichkeit, die eine Anerkennung entbehrlich machte. Ein bedeutender Schritt stellte daher die Einführung der Pflegeversicherung  dar, die das staatliche Selbstverständnis zur außerhäuslichen und außerfamiliären Pflege bekundete (Schäffer & Wingenfeld, 2011, S. 492/493).

Quellen

  • Möller, U., & Hesselbarth, U. (1994). Die geschichtliche Entwicklung der Krankenpflege. Hagen: Brigitte Kunz Verlag.
  • Rennen-Allhoff, B., & Schaeffer, D. (2000). Handbuch Pflegewissenschaft. Weinheim und München: Juventa Verlag.
  • Schmidbaur, M. (2002). Vom “Lazaruskreuz” zur “Pflege aktuell”. Königsstein/Taunus: Helmer Verlag.
  • Kreutzer, S. (2005). Vom “Liebesdienst” zum modernen Frauenberuf. Frankfurt am Main: Campus Verlag.
  • Schäffer, D., & Wingenfeld, K. (2011). Handbuch Pflegewissenschaften. Weinheim und München: Juventa Verlag.