Vor einigen Tagen veröffentlichte unsere Redaktion die Liste der Top 40 unter 40 im Management der Pflege, welche Sie hier einsehen können. Im Zuge dessen hatten wir die Gelegenheit mit einigen der Nominierten Interviews über den aktuellen Stand des Pflegemarktes, ihre Herausforderungen und Pläne für die Zukunft sprechen zu können.
So auch mit Ewald Scheidt von Curmundo – das Pflegeunternehmen fiel insbesondere im vergangenen Jahr durch die Übernahme des ambulanten Sektors der insolventen Cura Sana (wir berichteten). Wir konnten mit ihm über die bisherige Entwicklung seit der Übernahme und kommende Projekte gesprochen.


Wie bewerten Sie bisher das Jahr 2022 für Ihr Unternehmen?

Scheidt: Bis jetzt positiv, auch wenn ich vorwegsagen muss, dass wir die Wachstumserwartungen, die wir an uns selbst gestellt haben, unterboten haben. Insgesamt ist 2022 zwar gut verlaufen, aber wir haben nicht so viele Übernahmen tätigen – oder organisch wachsen können – wie wir selbst erwartet und im vergangenen Jahr eigentlich geplant haben.

Dafür haben wir aber unheimlich viel in unserer Struktur gearbeitet. Die Übernahme der CuraSana hat uns aufgezeigt wie viel Arbeit in die Integration fließen muss. Gerade hier hatten wir viele kleine und mittelgroße Teams, in die wir unsere Strukturen bringen mussten. Wir von Curmundo sind unheimlich digital, die CuraSana war gar nicht digital. Diese Transformation zu vollziehen, ohne auf dem Weg jemanden zu verlieren – Sie müssen sich vorstellen, unsere jüngste Mitarbeiterin ist um die 18, die älteste 67, alle müssen sich auf die Digitalisierung einlassen. Zeitgleich benötigte es eine irre Menge an Aufwand unsere Qualitätskontrolle, die wir Zentral von Wiesbaden aus steuern, auf alle Pflegedienste auszuweiten.

Insgesamt kann ich also zusammenfassen, dass wir uns Qualitativ noch einmal stark verbessern konnten, auch wenn wir Quantitativ unter den Erwartungen geblieben sind. Wir haben sogar rund zweieinhalb Millionen Euro an Transaktionskapital nicht abrufen können – und uns entschieden, dass wir dieses auch zum großen Teil erst einmal nicht abrufen werden, da wir uns entschieden haben, dass wir nicht schneller wachsen wollen als es die Qualität und die Qualitätssicherung verträgt. Unser vorrangiger Anspruch ist eine hochqualitative Versorgung und die können wir im Zweifel nicht aufrechthalten, wenn wir überregional zu schnell wachsen und die zweite Führungsebene nicht nachziehen können.

Dennoch haben wir dieses Jahr kleinere Übernahmen getätigt, wie den Pflegedienst Wilhelm hier in Wiesbaden, wir übernehmen demnächst noch eine Betreute Wohnanlage in Neu-Anspach, auch mit 52 Wohneinheiten. Zudem konnten wir einen Teilbetrieb der Diakonie Eltville übernehmen.

Gibt es bereits absehbare Meilensteine, die Sie für den Rest des Jahres vor Augen haben?

Wie schon gesagt haben wir mehrere kleine Übernahmen bereit getätigt und ein paar weitere kommen noch hinzu, wie die eben beschriebene Wohnanlage in Neu-Anspach, oder eine Tagespflege in Lindenholzhausen, die in Betrieb genommen wird. Wir bauen also das regionale Cluster aus.

Gerade in der Coronasituation hat es sich bewehrt Pflegekräfte hin und her zu schieben und multifunktionale Teams zu haben, so dass wir uns aktuell vor allem auf das regionale Cluster konzentrieren. So werden wir auch unser Versorgungsvolumen noch mal steigern können – aktuell sind wir bei mittlerweile rund 1.000 Kunden, dazu gehören auch einige Beratungskunden. Insgesamt konnten wir die Anzahl der Versorgungen um rund 20 Prozent steigern und haben auch thematisch neue Projekte, die auf uns zukommen.

Welche Projekte, können Sie das für unsere Leser spezifizieren?

Zum einen die eben erwähnte Tagespflege, zum anderen versuchen wir mehr von der Wertschöpfungskette zu realisieren und abzuschöpfen. Mit dem Standard-Versorgungstarif ist es sehr, sehr schwierig erforderliche Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Wenn wir von der Kasse eine vorgesehene Marge von 10 Prozent haben – dann aber auch noch in die Digitalisierung investieren oder sogar eine Verwaltung haben, was die Krankenkasse oft auch nicht versteht, ist es schwer. Deswegen versuchen wir über Hilfsmittel, Verbandsmaterial etc. mehr von der Kette abzuschöpfen; wir haben eine eigene Handcreme entwickelt, die bald auf den Markt kommt. Wir haben auch eine neue Firma gegründet, die Hej APO GmbH, die unsere Standorte mit Pflegehilfsmitteln und medizinischen Produkten wie Verbandsstoffe versorgt und entsprechend die Versorgungsverträge abgeschlossen hat. Das ist ein extrem margenstarkes Geschäft, mit dem wir die Pflege gut querfinanzieren können.

Haben die aktuellen politischen Entscheidungen aus Berlin bereits spürbaren Einfluss auf Ihr Unternehmen?

Mehr denn je. Wir sind nie so nah am politischen Geschehen gewesen wie aktuell. Wir sind unglaublich tangiert dadurch, da wir jede Woche hier mit Excel-Listen sitzen – und zum Glück auch das Personal dafür haben, ich frage mich wie andere Dienste das regeln wollen; leider.

Man ist durch Gesetzesentwürfe getrieben, die vielleicht oder vielleicht auch nicht durchgehen und dann zeitgleich so kurze Fristen haben, die wir aber für ganz viele Mitarbeiter einhalten müssen. Es ist der Wahnsinn. Da kommen viele Herausforderungen auf uns zu – ich bin gespannt, wie sich das auf den Markt auswirkt.

Gibt es etwas, das Sie den anderen Top 40 unter 40 mit auf den Weg geben möchten?

Ich freue mich natürlich, dass ich mit dabei bin. Ich setze den Konkurrenzgedanken an dieser Stelle total außer Kraft und freue mich umso mehr, dass wir den Pflegemarkt so verändern wie wir es gerade tun. Ich glaube, gerade aus dieser Riege der Top 40 kommen ganz ganz viele Denkanstöße und Umwälzungen des Marktes; mehr noch als aus Berlin. Es ist eher so, dass wir mit den Entscheidungen aus Berlin arbeiten mussten, als das uns Berlin den weg geebnet hätte in den letzten Jahren. Von daher Chapeau, herzlichen Glückwunsch und Dankeschön an die ganze Pflegelandschaft in Deutschland.


Über den Interviewpartner

Ewald Scheidt Curmundo mit Pokal

Ewald Scheidt (Jg. 1995), young professional aus der ambulanten Pflege, hat nach seinem Studium der Betriebswissenschaften sowohl mit der Gründung des ambulanten Pflegedienstes Curmundo (Wiesbaden), als auch mit einer ersten Übernahme (Kauf eines größeren Pflegedienstes) bewiesen, dass sich das Geschäftsmodell “Ambulante Pflege” zeitgemäß, profitabel und skalierbar umsetzen lässt. Mit der Übernahme eines größeren Pflegedienstes (M&A) und der Integration dessen in die Erstgründung hat sich Herr Scheidt wertvolles Know-how angeeignet, um sicher zu stellen, dass eine deutschlandweite, Patienten-, Mitarbeiter-und Marken-orientierte Pflegedienst-Kette erfolgreich aufgebaut werden kann.