Der Fachkräftemangel ist in aller Munde und besonders bezogen auf die Pflegebranche regelmäßig in der Presse zu finden. Statistiken und Schätzungen von Experten vermitteln welche Szenarien uns in der Zukunft erwarten könnten. Die dem demographischen Wandel geschuldete prognostizierte Zunahme an älteren, kranken und pflegebedürftigen Menschen wird zur Folge haben, dass mehr Menschen in Pflegeberufen benötigt werden. Das Bundesministerium für Gesundheit berichtet bereits jetzt von einer Beschäftigungszunahme von 46% in der ambulanten Pflege und 41% in Pflegeheimen (1999-2009)(BMG 2012). Die Pflege gilt als Jobmotor, jedoch kommen auf drei unbesetzte Stellen nur ein/e Arbeitssuchende/r.

Inhalt:

Wer wird sich um die steigende Anzahl Pflegebedürftiger in der Zukunft kümmern, wenn wir schon jetzt einen starken Fachkräftemangel zu verzeichnen haben?

Verschiedene Strategien wurden von Bund und Ländern, aber auch von Unternehmer /Innen angeregt oder umgesetzt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die unterschiedlichen Ansatzpunkte, bzw. auch das eigene Engagement in den einzelnen Strategien sollen hier zusammenfassend dargestellt werden.

1. Attraktivität des Pflegeberufs stärken:

Junge Menschen, die sich für einen Beruf entscheiden müssen, machen diese wichtige Entscheidung für die Zukunft von verschiedenen Fragestellungen abhängig:

  • Sollte es eine Ausbildung oder doch ein Studium sein?
  • Welche Entwicklungs- bzw. Karrierechancen und Perspektiven habe ich in dem Beruf?
  • Wie sind die Arbeitszeiten und kann ich Beruf und Familie vereinbaren?
  • Was werde ich verdienen können?

Nicht zuletzt beeinflusst auch das Image eines Berufs die Entscheidung.
Während der Pflegeberuf in anderen europäischen Ländern ein hoch angesehener Beruf auf akademischem Niveau ist, ist es in Deutschland ein Ausbildungsberuf, der in vielen Köpfen das Image eines harten und unterbezahlten Berufs hat, der mit körperlicher Anstrengung und Schichtdiensten verbunden wird.

Um die Berufsausbildung in Pflegeberufen attraktiver und moderner zu gestalten, wurden verschiedene Anstrengungen unternommen. So wurde im christlich-liberalen Koalitionsvertrag beschlossen, dass im Rahmen eines neuen Pflege-Berufsgesetzes die Ausbildungsinhalte der Pflegeberufe neu definiert werden sollen (BMG 2012).

Neben der Schaffung weiterer Qualifizierungsmöglichkeiten steht eine generalisierte Ausbildung im Fokus. Gesundheits- und Krankenpflege, Altenpflege und Kinderkrankenpflege sollen zusammengeführt werden, um die Einsatzmöglichkeiten der Fachkräfte zu erhöhen und Ihre Kompetenzen sowohl für ambulante als auch stationäre Versorgungsformen zu fördern.

Des Weiteren werden regelmäßig Überlegungen angestellt, die Pflegeausbildung zu akademisieren. Eine generelle Akademisierung der Pflegeausbildung würde den Fachkräftemangel durch die erhöhten Zulassungs- voraussetzungen nur forcieren. Die Möglichkeit zu schaffen, sich durch einen Universitätsabschluss spezialisieren zu können, steigert jedoch unumstritten, die Attraktivität des Pflegeberufes. Dennoch stößt dies auf große Kritik. Jüngst empfahl der Wissenschaftsrat, dass bis zu 20 Prozent eines Ausbildungsjahrgangs einen Bachelor-Abschluss erwerben sollten, um den immer komplexer werdenden Aufgaben und Anforderungen in der Pflege gerecht werden zu können.

Die Arbeitsgemeinschaft für Hochschulmedizin, hält es für sachlich nicht begründbar, das funktionierende Ausbildungssystem zu verändern und die Bundesärztekammer befürchtet gar eine Zersplittung der Versorgungslandschaft durch die Einführung weiterer nicht ärztlicher akademischer Gesundheitsberufe.

Sollte es zu einer Akademisierung der Pflege kommen, wird es in jedem Fall noch dauern, bis sie umgesetzt werden kann, da es an Studienplätzen mangelt und ein größeres Angebote erst geschaffen werden müsste.

2. Ausbildungseinstieg bzw. Umschulung erleichtern

Um Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, wurden in einigen Bundesländern Maßnahmen unternommen, um den Ausbildungseinstieg zu fördern.

In Bremen werden z.B. Bildungsgutscheine vergeben. Mit dem Bildungsgutschein erhalten Umschüler eine vollständige und gesicherte Finanzierung der Ausbildung. Die Zahl der geförderten Schulplätze wurde 2012 sogar noch erhöht, jedoch werden nur wenige Bildungsgutscheine abgefragt.

Die Bundesagentur für Arbeit ist über verschiedene Maßnahmen bemüht Arbeitslose Menschen in Pflegeberufe zu lenken. In Karlsruhe gibt es beispielsweise eine Kampagne Namens „ich bin gut“, mittels derer Menschen, die eine Grundsicherung beziehen und über eine Fachausbildung in einem Sozial- und Gesundheitsbereich verfügen, in die Pflege vermittelt werden.

Eine andere bundesweite Maßnahme ist aus der Not eine Tugend zu machen.

Die Insolvenz der Drogeriemarkt-Kette Schlecker hat dazu geführt, dass bundesweit 25.000 Menschen von der Arbeitslosigkeit bedroht sind. Eine Diakonie in Neuendettelsau nutzte die Gelegenheit  und bot den ehemaligen Mitarbeitern von Schlecker an, sich zu Pflegefachhelferinnen in der Altenpflege ausbilden zu lassen. Ebenso die  Arbeitsagentur in Ulm, sie unterstützt aktiv den Weg in die Pflege für ehemalige Schlecker-Mitarbeiter. Ein spezielle eingerichtetes Vermittlungs- und Beratungsbüro soll bei der Stellenvermittlung helfen und über Möglichkeiten der Qualifizierung beraten.

3. Pflegekräfte aus dem Ausland rekrutieren:

Die Wirtschaftskrise hat dazu geführt, dass viele Menschen in anderen europäischen Ländern keine Anstellung finden und den Weg ins Ausland suchen. Besonders aus den osteuropäischen Ländern sind bereits viele  Menschen nach Deutschland gekommen und unterstützen Menschen vornehmlich in Ihrer Häuslichkeit. Die im Mai 2011 in Kraft getretene Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürger und Bürgerinnen der EU-Mitgliedstaaten hat die Möglichkeit für Privathaushalte eröffnet, osteuropäische Haushaltshilfe legal einzustellen (BMAS, 2012). Besonders für leicht pflegebedürftige Menschen stellt dies eine Alternative zu einem Pflegedienst dar, da Haushaltshilfen ebenso befugt sind, Pflegehilfstätigkeiten, wie dem Helfen beim An- und Auskleiden zu übernehmen. Inzwischen gibt es sogar Vermittlungsagenturen, die ausschließlich osteuropäische Haushaltshilfen und Pflegekräfte vermitteln und sich vom Erstkontakt bis hin zu dem Vertragsabschluss  zwischen Arbeitgeber und – nehmer kümmern.

Neben den Privathaushalten und Agenturen, die Pflegehilfe aus dem Ausland rekrutieren, haben auch einige pfiffige Unternehmer/Innen Konzepte entwickelt, dies zu tun:

Ein Pflegedienst aus Lüdenscheid wirbt Pflegepersonal aus Portugal. Die Inhaberin des Pflegedienstes Frau Manis bildet zwar selber aus, kann damit dem Fachkräftemangel nicht ausreichend entgegenwirken. Da es in Portugal viele hochqualifizierte Pflegekräfte gibt, die aufgrund der sinkenden Fachkräftequote in Heimen keine Anstellung mehr bekommen, entstand die Idee, diese nach Deutschland zu holen.  Frau Manis fährt regelmäßig nach Portugal und führt Bewerbungsgespräche mit potentiellen Auswanderern. Bevor die Pflegekräfte ihre Arbeit aufnehmen können, müssen sie jedoch Sprachkenntnisse im B-2-Niveau erlangen. Sechs bis neun Monate lang erhalten sie Sprachunterricht und gehen mit den Pflegekräften des Pflegedienstes hospitieren, bis sie ein Sprachniveau erreicht haben, mit dem sie selbstständig die Pflegetätigkeiten ausüben können.

Neben der Finanzierung des Sprachunterrichts geht Frau Manis auch in Vorleistung bei der Finanzierung einer Wohnung, samt Grundausstattung und monatlichem Taschengeld. Die Vorleistung beträgt zwischen 5.000 und 7.000 Euro, die die Pflegekräfte jedoch anteilig zurückzahlen müssen in den drei Jahren, die sie sich verpflichtet haben für Frau Manis zu arbeiten (Care konkret berichtet).

In Nürtingen-Kirchheim ist eine Diakonie mit einer Pflegeschule in Pe’cs (Ungarn) eingegangen und holt Pflegekräfte schon während der Ausbildung nach Deutschland, um in den DRK eigenen Seniorenzentren ein Praktikum zu absolvieren. Ein speziell für dieses Projekt entwickelter Praxisleitfaden soll die bis zu 12 Praktikanten und Praktikantinnen unterstützen. Hin-, Rückfahrt, Unterkunft und Verpflegung werden übernommen und Deutschunterricht wird in den Lehrplan der ungarischen Schule integriert. Ziel dieses Projektes ist es, nicht nur Fachkräfte für Deutschland zu gewinnen, sondern auch von den fachlichen Kenntnissen der ungarischen Pflegeschüler/Innen zu profitieren, die in Ihrem Heimatland eine Ausbildung auf akademischem Niveau genießen.

4. Straftäter in der Pflege einsetzen:

Die Idee des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty (SPD) lautet Straftäter, statt ins Gefängnis in die Altenpflege zu schicken. Als Resozialisierungsmaßnahme angedacht, sollen Straftäter, die wegen Geldstrafen ins Gefängnis müssten, im Wohlfahrtsbereich eingesetzt werden. Die Idee stößt auf große Kritik, da sie einerseits impliziert, dass Pflegen eine Strafe ist und zum anderen der Gedanke Unwohlsein verursacht, dass sich Straftäter um Pflegebedürftige, die unseres Schutzes bedürfen, kümmern. Endschärft werden können diese Gedanken jedoch, wenn es sich bei dieser Maßnahme ausschließlich um Straftäter handelt, die „nur“ wegen Geldstrafen ins Gefängnis müssen und die nicht eingesetzt werden, um Menschen zu pflegen, sondern soziale Dienste, wie dem Menü-Bringe-Dienst unterstützen.

5. Fazit:

Die vorgestellten Maßnahmen weisen zwar alle Kritikpunkte auf, seien es dass sie moralische Vorstellungen verletzten, hohe Investitionskosten verlangen oder der Veränderung eines ganzen Berufsimages bedürfen. Nichts desto trotz müssen Maßnahmen ergriffen werden, die dem Fachkräftemangel schnellst möglich entgegen wirken, um die Versorgung unserer immer älter werdender Gesellschaft sicherstellen zu können. Es sollte jedoch nicht das Bild entstehen, dass JEDER Pflege ausüben kann und dass jeder der keinen Job hat, eine Strafe abbüßen muss oder noch nicht weiß, was er tun möchte in die Pflege geleitet werden kann. Pflege ist ein verantwortungsvoller Beruf, der besonders im Bereich sozialer Kompetenzen große Voraussetzungen an die ausübenden Pflegenden setzt.

6. Quellen

  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Online im Internet: URL: http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsrecht/Meldungen/ hintergrund-arbeitnehmerfreizuegigkeit.html (Stand: 31.07.2012)
  • Bundesministerium für Gesundheit. Online im Internet: URL: http://www.bmg.bund.de/pflege/pflegekraefte/ pflegefachkraeftemangel.html (Stand 31.07.2012)