Bereits im August vergangenen Jahres trat die Einzelzimmerquote von 80 Prozent für Pflegeheime in Nordrhein-Westfalen in Kraft. Nun, zum September 2019 hin, greift auch in Baden-Württemberg eine Einzelzimmerquote. In dem südlichen Bundesland sind sogar 100 Prozent Einzelzimmer gefordert – sowohl für Neu- als auch für Bestandsbauten. Weshalb Baden-Württemberg dennoch weniger Einbußen als Nordrhein-Westfalen hinnehmen musste, erfahren Sie im Folgenden.

Inhaltsverzeichnis:

  • Übergangsfrist abgelaufen
  • Gemeinnützige mit höchster Einzelzimmerquote
  • Baden-Württemberg dank Ausnahmen weniger getroffen als NRW
  • Fazit
  • Momentan werden in Baden-Württemberg über 1.570 Pflegeheime mit rund 104.300 Betten betrieben. Dazu kommen noch mehr als 115 Pflegeheime, die sich im Bau oder in Planung befinden und zukünftig mehr als 7.600 weitere Betten stellen werden. Damit stehen in Baden-Württemberg pro 10.000 Einwohner ab 75 Jahren aktuell rund 894 Pflegeheimplätze zur Verfügung. Zwar liegt Baden-Württemberg somit unter dem Bundesdurchschnitt von 996 vollstationären Pflegeplätzen pro 10.000 Einwohner ab 75 Jahren, weist mit 52 Betten pro 10.000 Einwohnern jedoch den höchsten Neubauwert aller Bundesländer (Ø 24 Betten pro 10.000 Einwohner) auf und setzt ein deutliches Zeichen Richtung Wachstum.

    Übergangsfrist abgelaufen

    Die Landesheimbauverordnung wurde mit Wirkung vom 1. September 2009 in Kraft gesetzt. Mit ihr werden vor allem bauliche Standards für Pflegeheime festgelegt, die sich an den Zielen der Erhaltung von Würde, Selbstbestimmung und Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner orientieren. Hierzu gehört auch die Vorgabe, dass allen Bewohnerinnen und Bewohnern künftig Einzelzimmer zur Verfügung stehen.

    Für neu gebaute Heime galten die Vorgaben unmittelbar. Für Einrichtungen, die bereits bei Inkrafttreten der Verordnung in Betrieb waren, sah die Verordnung eine zehnjährige Übergangsfrist vor. Diese lief zum 31. August 2019 ab. Um die unmittelbaren Auswirkungen der Landesheimbauverordnung abzubilden wurden alle Löschungen diesen Jahres und des 4. Quartals 2018 ausgewertet. Zudem wurde die in der Pflegedatenbank hinterlegten Angaben zur Anzahl der Einzel- und Doppelzimmer überprüft – rund 47 Prozent aller in der Pflegedatenbank hinterlegten Pflegeheime in Baden-Württemberg konnten somit in Bezug auf die Einzelzimmerquote analysiert werden.

    Gemeinnützige mit höchster Einzelzimmerquote

    In der Analyse zeigt sich, dass gemeinnützige Einrichtungen mit einem Mittelwert von 88 Prozent die höchste Einzelzimmerquote besitzen. Kommunale Anbieter folgen im Schnitt mit 86 Prozent, während Private Anbieter eine durchschnittliche Einzelzimmerquote von 73 Prozent aufweisen. Auch zeigt sich, dass die gemeinnützigen Einrichtungen den höchsten Anteil an Pflegeheimen mit einer 100 Prozentigen Einzelzimmerquote aufweisen.

    Um die Einzelzimmerquote zu erfüllen waren natürlich auch in den letzten Monaten Bettenreduzierungen, sowie Neu- und Umbauten notwendig. Bemerkenswert ist hierbei, dass vom 4. Quartal 2018 bis August 2019 insgesamt 322 neue Netto-Plätze hinzugekommen sind. Die Anzahl der durch Aufbau im Bestand und Neugründung neu hinzugekommenen Betten übersteigt hierbei deutlich die durch Abbau im Bestand oder Schließung verlorenen Bettenzahlen. Ebenfalls beachtet werden sollte, dass im gesamten Jahr 2019 nur 5 Pflegeheime in Baden-Württemberg geschlossen wurden – mit einer durchschnittlichen Größe von 42 Betten lagen diese dabei weit unter dem Bundesmittel von 78 Betten pro Pflegeheim. Dies zeigt, dass vor allem kleinere Pflegeheime durch die Landesheimbauverordnung vor Probleme gestellt werden, da diese eine 100 prozentige Einzelzimmerquote wirtschaftlich nur schwer verkraften.

    Baden-Württemberg dank Ausnahmen weniger getroffen als NRW

    Einzelzimmerquote Baden-Württemberg Bettenänderung

    Dennoch zeigt Baden-Württemberg, verglichen mit Nordrhein-Westfalen, die im vergangenen Jahr in einem vergleichbaren Zeitraum mehr als 1.600 Pflegebetten verloren, kaum negative Auswirkungen der Einzelzimmerquote. Dies mag zum einen daran liegen, dass viele Pflegeheime bereits in den letzten zehn Jahren große Änderungen in ihrer Bettenstruktur vorgenommen und dies nicht erst in den letzten Monaten getan haben, doch auch einige Ausnahmeregelungen federn die Auswirkungen der Einzelzimmerquote ab. Auch nach dem 31. August 2019 konnten bestehende Einrichtungen noch in den Genuss von verlängerten Übergangsfristen und Befreiungen kommen, wenn dies beispielsweise aus „wirtschaftlichen Gründen“ notwendig sei. Rund 250 Bescheide zu Ausnahmen und Befreiungen wurden dem Ministerium bereits im Juli 2018 von den Heimaufsichtsbehörden vorgelegt. Zudem sieht die Landesheimbauverordnung in Baden-Württemberg es sogar vor Pflegeheime in Ausnahmesituationen von einzelnen Anforderungen der Verordnung zu befreien. Somit greift für Bestandseinrichtungen – anders als in Nordrhein-Westfalen – auch keine starre prozentuale Einzelzimmerquote. Entscheidend sei vielmehr die Situation der einzelnen Einrichtungen, die – ebenfalls anders als in Nordrhein-Westfalen – auch eine Einzelzimmerquote deutlich unter 80 Prozent erlaube, sofern dies aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten sei. Wenn die 10-jährige Übergangsfrist individuell verlängert oder eine Befreiung erteilt wurde, werden die Heimaufsichtsbehörden auch keine Wiederbelegungssperre verteilen.

    Zudem wurde kurzfristig eine weitere Ausnahmeregelung getroffen: „Um die Zahl der Kurzzeitpflegeplätze weiter zu erhöhen, gewährt das Ministerium für Soziales und Integration ab sofort Ausnahmen für Doppelzimmer in Einrichtungen, die bislang diesbezüglich von der Landesheimbauverordnung abweichen, wenn diese größer als 22 Quadratmeter sind und verbindlich und dauerhaft ausschließlich für die Kurzzeitpflege vorgehalten werden“, so die offizielle Verlautbarung.

    Einzelzimmerquote Baden-Württemberg durchschnittliche Quote nach Baujahr

    Als interessante Randnotiz darf hier erscheinen, dass die Landesheimbauverordnung, die eine starre Einzelzimmerquote von 100 Prozent bei Neubauten vorsah, bereits am 1. September 2009 in Kraft trat, diese Einzelzimmerquote jedoch erst ab 2013 in allen neuen Pflegeheimen flächendeckend umgesetzt wurde. Die Gründe mögen hier bereits vor 2009 geplante und genehmigte Bauten sein, die im Nachhinein noch umgesetzt wurden.

    Fazit

    Zwar liegt die geforderte Einzelzimmerquote in Baden-Württemberg deutlich höher als in Nordrhein-Westfalen, dank seichterer Grenzen und der Möglichkeit einer Ausnahmeregelung, sowie vielen Neubauten wurde Baden-Württemberg von der Einzelzimmerquote nicht so hart getroffen wie Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr.