Die wachsende Zahl der Pflegebedürftigen, die neuen Heimgesetze und nicht zuletzt die älter werdende Bausubstanz vieler Pflegeeinrichtungen kurbeln den Neubau von Pflegeheimen, Tagespflege, Wohngemeinschaften und betreutem Wohnen in Deutschland an – unsere Analyse wirft für Sie einen Blick aus der Vogelperspektive auf die aktuelle Baulandschaft im deutschen Pflegesektor.

Inhaltsverzeichnis:

  • Mehr als 1.200 geplante Standorte in allen Sektoren
  • Abweichende Regelungen in den Bundesländern sorgen für unterschiedliche Ausprägungen
  • Mehr als 1.200 geplante Standorte in allen Sektoren

    Das enorme Wachstum des Pflegemarktes wird zunehmlich durch Bauaktivitäten untermauert. Von klassischen Pflegeeinrichtungen, über Betreutes Wohnen, Tagespflege und Wohngruppen bis hin zur Kombination verschiedener Angebote entstehen in den kommenden Jahren eine Vielzahl neuer Plattformen. Derzeit befinden sich über alle Sektoren hinweg insgesamt rund 1.230 neue Standorte mit einem oder mehreren Pflegeangeboten in Vorbereitung, rund die Hälfte davon befindet sich sogar bereits in der Bauphase. Analysiert wurden die bis Ende März 2020 bekannt gewordenen Bauprojekte, die in der Pflegedatenbank gelistet sind.

    Den größten Teil nimmt hierbei der Bereich des Betreuten Wohnens ein – 367 Standorte befinden sich bereits in der Bauphase, noch einmal so viele sind zusätzlich geplant (siehe Grafik 1). In den in Bau befindlichen und geplanten Anlagen entstehen zusammen mehr als 22.000 neue Wohneinheiten. Zum Vergleich: in Pflegeheimen befinden sich aktuell etwa 31.000 Plätze im Bau oder in der Planungsphase. Gemessen an der aktuell verfügbaren Kapazität beider Sektoren ergibt sich für das klassische Segment der stationären Pflege ein Wachstum von vier Prozent, während der Bereich des Betreuten Wohnens um über zehn Prozent zulegt.

    Ein ebenfalls starker Wachstumsmarkt sind zudem die Tagespflegen – rund 230 Tagespflegen mit etwa 4.770 Plätzen befinden sich aktuell im Bau, rund 250 weitere Standorte sind noch in der Planungsphase. Hier sollen zusätzlich etwa 5.260 Plätze in der Tagespflege entstehen.

    Auch für den Sektor der Wohngemeinschaften zeigt sich ein ansteigendes Wachstumspotential – knapp 200 Wohngruppen befindet sich mit über 3.000 Plätzen aktuell im Bau, etwa 160 weitere in der Planungsphase – diese bringen zusätzlich etwa 2.600 Plätze.

    Im Bau und in Planung befindliche Pflegeangebote

    Bei Betrachtung der einzelnen Standorte fällt auf, dass an etwa 42 Prozent aller Standorte mehr als ein Pflegeangebot im Bau oder in Planung ist. Die zunehmende Verschmelzung der Sektoren des Pflegemarktes lässt sich indes auch anhand der Angebote an ebendiesen entstehenden Standorten erkennen. So wird nur rund die Hälfte aller im Bau oder in Planung befindlichen Pflegeheime ein rein klassisches Pflegeheim mit einzig vollstationärer Pflege – vielmehr nimmt die Anzahl der Pflegeheime mit zusätzlich angegliederten Angeboten wie betreutem Wohnen, Tagespflege oder Wohngruppe immer weiter zu. Ambulant versorgte Konzepte nehmen somit einen überwiegenden Teil der Bauprojekte ein und sind über amtliche Zahlen kaum greifbar.

    Abweichende Regelungen in den Bundesländern sorgen für unterschiedliche Ausprägungen

    Die lückenhafte Erfassung solcher Konzepte in anderen Betrachtungen geht einher mit einer fehlenden gesetzlichen Grundlage und Definition alternativer Wohnformen. Während für klassische Einrichtungen klare Regelungen formuliert sind, gelten zumindest für die Tagespflege häufig die gleichen Regeln wie für stationäre Einrichtungen. Neben Vorgaben zur Anzahl von Badezimmern, der Verfügbarkeit von Ruheräumen und -bereichen, sowie der Größe von Gemeinschaftsflächen ist teilweise auch der verfügbare Platz pro Gast gesetzlich vorgeschrieben. Doch auch hier weichen die Voraussetzungen in den einzelnen Bundesländern stark ab. Während Betreiber von Tagespflegeeinrichtungen in Niedersachsen je Gast eine Mindestfläche von 20 Quadratmetern und eine Gesamtfläche von mindestens 200 Quadratmetern berücksichtigen müssen, reicht in Mecklenburg-Vorpommern die Hälfte des Platzes aus, lediglich zehn Quadratmeter muss je Gast zur Verfügung stehen. In den meisten Bundesländern ist das Platzangebot je Gast gar nicht geregelt. Noch schwammiger werden die gesetzlichen Vorgaben in der betreiberinitiierten WG-Versorgung. Nur in vier Bundesländern gelten aktuelle hierauf anwendbare Regelungen, die insbesondere die maximale Kapazität betreffen. So darf bei Wohngruppen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen  zwölf Plätze, sowie in Baden-Württemberg fünfzehn Plätze nicht überschreiten. Vorgaben zur Größe der Zimmer gibt es nur in Hamburg (mindestens 12m²) und in Baden-Württemberg (mindestens 14m²). Für die Kapazität von Intensiv-Wohngruppen, als für die ambulante Versorgung schwerstpflegebedürftiger Patienten, gilt in Rheinland-Pfalz eine Kapazitätsobergrenze von zwölf Plätzen.

    Wachstum betreutes Wohnen und Pflegeheime

    Dabei zeigt sich die Bedeutung ambulanter und ambulantisierter Wohnformen als Alternative oder Ergänzung zum Pflegeheim auch schon im ersten Quartal dieses Jahres. So wurden seit Anfang des Jahres 45 neue Pflegeheime im Bau oder in Planung gezählt – im gleichen Zeitrahmen jedoch auch zusätzlich 62 Tagespflegen und 90 betreute Wohneinheiten. Zudem wurden im ersten Quartal mehr als 20 Pflegeheimneubauten fertiggestellt – zudem 17 Tagespflegen, 13 betreute Wohnanlagen und 12 Wohngruppen.

    Die gesetzlichen Vorgaben zur Einzelzimmerquote in Pflegeheimen sorgten in den vergangenen zwei Jahren insbesondere in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg für Aufsehen. Dabei gibt es auch in weiteren Bundesländern verbindliche Quoten, die zumindest bei Neubauten stationärer Pflegeeinrichtungen einzuhalten sind. In den Bundesländern Hamburg und Brandenburg gilt ebenfalls eine Einzelzimmerquote von 100 Prozent. Dreiviertel der Pflegeplätze neuer Einrichtungen in Schleswig-Holstein müssen in Einzelzimmern vorgehalten werden, in Berlin liegt die Quote bei 60 Prozent. Etwas schwammiger präsentieren sich hingegen die Formulierungen der Heimgesetze in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Hier ist eine möglichst hohe Einzelzimmerquote gewünscht, jedoch nicht eindeutig gefordert.