In der Jahresendausgabe 2020 fiel in unserem M&A Transaktionsbericht die Cosmea Pflege Gruppe als neuer Zusammenschluss von mehreren Pflegediensten auf dem Markt auf. Unterstützt durch die Oliver-Samwer-Familienstiftung verpasste der Newcomer nur knapp den Einzug in die Top 15 Pflegedienste in Deutschland. Pflegemarkt.com konnte nun mit Herrn Tomas Aubell, dem Geschäftsführer der Cosmea über den bisherigen Weg und zukünftige Ziele sprechen.


Herr Aubell, vor Ihrer Zeit bei Cosmea waren Sie CEO bei der Colosseum Dental Group, einer der größten kontinentaleuropäischen Zahnarztketten, was war für Sie der Größte Unterschied zwischen dem Gesundheits- und dem Pflegemarkt?

Aubell:
Das ist eine sehr gute Frage. Wir haben festgestellt, dass sich vor allem die Kultur zwischen dem Gesundheits- und dem Pflegemarkt unterscheidet. In der Pflege suchen sich die Menschen eher Unterstützung und arbeiten teamorientiert an Lösungen. Ich hatte immer den Eindruck, dass die Menschen in der Pflege deutlich kooperativer sind. Ich komme aus der Zahnmedizin, dort hatte man viel mit Akademikern zu tun. Gerade bei den Zahnärzten gab es viele starke Individualisten, denen es schwergefallen ist, sich einer Struktur anzupassen.

Wo wir gerade beim Thema sind – was ist für Sie der spannendste Aspekt in der Pflege?

Aubell: Mich fasziniert die Leidenschaft, mit welcher die Mitarbeiter, die zuweilen harte und leider manchmal auch undankbare Arbeit angehen. Ein Teil davon sein zu dürfen ist fantastisch!

Wo spiegelt sich diese Leidenschaft Ihrer Meinung nach am besten in Cosmea wider?

Aubell: Bei der Übernahme der Firmen in unsere Unternehmensgruppe hatten wir das große Glück, dass wir dort hervorragende und sehr engagierte Mitarbeiter vorgefunden haben. Diese konnten wir mit der Zeit in die richtigen Positionen befördern und uns diese Leidenschaft somit im Unternehmen erhalten und weiter ausbauen.

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie im Pflegemarkt?

Aubell: Die größte Herausforderung, dies wird niemanden überraschen, ist natürlich der Arbeitskraftmangel. Doch auch die großen Umwälzungen in der Gesetzgebung stellen uns vor immer neue Aufgaben. Seitens der Politik haben wir schlicht zu wenig Kontinuität. Die ganze Grundlage eines Unternehmens kann sich von heute auf morgen verändern, ohne dass dies vorher absehbar wäre. Das ist für alle Marktteilnehmer eine schwierige Situation. Zusammengefasst muss ich leider sagen, dass in der Pflege oft die politische Planungssicherheit fehlt.

Die dritte große Herausforderung ist gerade heute natürlich Corona – die ganze Marktdynamik verändert sich schnell. Wir als Gruppe haben hierbei noch großes Glück und können auf viel Erfahrung und starke Ressourcen für das Marketing zurückgreifen. Einem alleinstehenden Pflegedienst geht es aktuell noch deutlich schlechter. Es trifft besonders die hart, die nicht auf das Knowledge und die Ressourcen zurückgreifen können, über die wir verfügen.

Der Pflegemarkt ist ein sehr fragmentierter Markt mit vielen gründergetriebenen Firmen ohne große Markterfahrung. Es sind spannende und großartige Menschen, die man da trifft – wir sehen große Chancen, dass wir mit Professionalisierung und Erfahrung helfen können – besonders in der heutigen, hochkomplexen Zeit erfordert es einiges an Knowhow, um das Schiff durch den Sturm zu segeln. Natürlichen machen wir vielleicht auch nicht alles perfekt, doch zum Glück können wir auf starke Mitarbeiter mit langer Markterfahrung zurückgreifen.

Wir haben nun bereits viel über Chancen, Herausforderungen und Ihren Weg gesprochen – welche Herausforderungen mussten Sie sich vergangenes Jahr im Besonderen stellen?

Aubell: Nun, natürlich prägte Corona das Jahr 2020. Anfang des Jahres war es schwierig an Material zu kommen – gleichzeitig wurde von der Politik viel umgesetzt, wir mussten stets mit den neusten Beschlüssen und Anforderungen Schritt halten. Es kam zu Schließung in der Tagespflege, gleichzeitig mussten wir den Betreuungsschlüssel in der ambulanten Pflege aufrecht halten.

Auch unsere Mitarbeiter sind mittlerweile Corona-Müde. Wir pflegen auch Patienten, die infiziert sind, tragen täglich Schutzkleidung. Das macht mürbe. Aber wir versuchen unsere Mitarbeiter zu unterstützen so gut es geht. Wir hatten leider auch einige Dienste, denen Kunden weggefallen sind. Angehörige, die in Kurzarbeit waren, übernahmen die Pflege, Kunden hatten Angst andere Menschen zu sehen. Was wir auch niemals ausblenden dürfen –durch diese Pandemie sterben Menschen, gerade alte und pflegebedürftige.

Auch die Quarantäne-Regeln stellten uns vor Herausforderungen – durch die Kontakte der Kinder sind auf einmal noch mehr Leute in Quarantäne gerutscht, was es noch schwieriger gemacht hat die Pflege bieten zu können, die wir bieten wollen. Auch Schulschließungen zerren an den Mitarbeiterzahlen, wenn sich Eltern auf einmal vormittags um ihre Kinder kümmern müssen. Dazu kommt, dass einige unserer Mitarbeiter nicht in Deutschland geboren sind – die Grenzübergänge haben es uns auch hier deutlich erschwert unsere Arbeit so ausführen zu können, wie wir es gewohnt sind. Aber es geht voran. Wir haben ein großartiges Team und sind weiterhin voller Elan für unsere Kunden da.

Das Logo der Cosmea und der Name beziehen sich beide auf die Blume Kosmea – diese Pflanze kann bis zu zwei Meter groß werden – welche Pläne hat Cosmea in Bezug auf Wachstum?

Aubell: Wir wollen unsere eigene Rolle im deutschen Pflegemarkt einnehmen, indem wir regional nahe zusammenliegende Pflegedienste operativ verknüpfen. Wir wollen für unsere Mitarbeiter ein guter Arbeitgeber sein und unseren Kunden eine gute Pflege bieten.

Um das umzusetzen, haben wir uns vorgenommen ein großes Netzwerk aufzubauen, in dem sich unsere Mitarbeiter gegenseitig helfen können. Besonders fokussieren wir uns dabei auf regionale Cluster, in denen wir dann Gruppeneffekte nutzen können. Wir wollten von Anfang an nie einfach überall präsent sein, sondern kleine Gruppen ausbauen und so unser Unternehmen entwickeln. Wir investieren daher viel Geld in Prozesse und Arbeitsmethoden – das ist bei unserem Ehrgeiz notwendig.

Momentan ist Cosmea vor allem im Südwesten Deutschlands unterwegs – wollen Sie weiterhin auf diese Region fokussiert bleiben oder ist weitere Expansion angedacht?

Aubell: Aktuell konzentrieren wir uns darauf unsere Chancen dort auszubauen, wo wir bereits sind. Wenn wir an neuen Standorten einen guten und zu uns passenden Dienst finden, dann würden wir natürlich auch dorthin expandieren. Aber dafür benötigt man gute Basis-Dienste zum Start eines neuen Clusters.

Das Segment des betreuten Wohnens ist aktuell sehr populär – plant Cosmea sich in diesem Bereich breiter aufzustellen, oder bleibt der Fokus auf der rein ambulanten Pflege?

Aubell: Für uns unterscheidet sich betreutes Wohnen im Prinzip nicht von der „normalen“ ambulanten Tourenpflege. Wir sind ein reiner Pflegedienst und investieren nicht in Immobilien. Aber womöglich könnten wir wirklich etwas präsenter im betreuten Wohnen sein – aktuell betreuen wir bereits zwei Standorte und übernehmen gerne die Betreuung an solchen Standorten, konzentrieren uns aber nicht darauf. Wir sehen uns als reine Pflegefirma und bräuchten dann starke Partner im Immobilienbereich

In unserer M&A-Analyse für das Jahr 2020 war die Cosmea einer der Top Newcomer, der nur knapp den Einzug in die Top 15 Pflegedienste in Deutschland verpasst hat – wie schätzen Sie ihre Chancen ein dieses Jahr in die Liste aufgenommen zu werden?

Aubell: Ganz ehrlich? So weit denken wir noch gar nicht. Erst einmal wollen wir unsere bestehenden Dienste aufbauen und nach vorne bringen, ehe wir weiter expandieren. Wir werden sehen wohin uns dieses Jahr führt, aber aktuell konzentrieren wir uns auf das, was wir bereits erreicht haben. Zukäufe um jeden Preis ist nicht unser Ziel. Wir wollen uns zuerst gut um die Firmen und die Mitarbeiter kümmern, die wir übernehmen. Ist ein Eigentümer eines Pflegedienstes allerdings interessiert ein Teil unserer Gruppe zu werden, freuen wir uns natürlich, wenn man mit uns in den Dialog geht.

Wie sehen Sie die aktuellen Chancen für Digitalisierung in der Pflege? Haben Sie womöglich selbst aktuelle Tipps, welche Sie eventuell auch selbst implementieren oder nutzen?

Aubell: In derDigitalisierung sehe ich eine große Chance, um effizienter zu dokumentieren und zu planen und somit mehr Zeit für die Pflegearbeit beim Kunden zu haben. Als Pflegedienst ist es wichtig sich den richtigen Softwarepartner zu suchen und regelmäßig Schulungsangebote zu setzen. Die Digitalisierung ist auch eine große Stütze in der Pandemie, Pflegedienstleitungen können zum Beispiel im Homeoffice arbeiten. Generell sind wir als Gruppe eng digital vernetzt und können viel leichter Informationen austauschen oder Kollegen Unterstützung bieten. Wir helfen auch gerne andere Pflegedienste in ihren Digitalisierungsschritten, da kann man uns gerne kontaktieren.

Cosmea - Tomas Aubell im Interview

Tomas Aubell ist der Geschäftsführer der Cosmea Pflege Gruppe. Die Cosmea Pflege Gruppe ist ein Zusammenschluss ambulanter Pflegedienste mit derzeit 13 Standorten, überwiegend im Südwesten Deutschlands und beschäftigen aktuell mehr als 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unterstützt durch die Oliver-Samwer-Familienstiftung vergrößerte sich die Gruppe vor allem durch Übernahmen und Nachfolgeregelungen. Die Betriebe werden auch nach einer Übernahme in den Verbund weiterhin lokal geführt.