Vor einigen Tagen veröffentlichte unsere Redaktion die Liste der Top 40 unter 40 im Management der Pflege, welche Sie hier einsehen können. Im Zuge dessen hatten wir die Gelegenheit mit einigen der Nominierten Interviews über den aktuellen Stand des Pflegemarktes, ihre Herausforderungen und Pläne für die Zukunft sprechen zu können – so auch mit Clemens Raemy von kenbi, welcher uns bereits Ende 2021 Rede und Antwort stand (hier finden Sie das damalige Interview).


Wie bewerten Sie bisher das Jahr 2022 für Ihr Unternehmen?

Raemy: Wachstumsmäßig stark, allerdings – und so ehrlich muss man sein – haben wir aktuell auch spürbare Probleme aufgrund der Kombination aus Wellen aus Corona-Kranken beziehungsweise der damit verbundenen, zehntätigen Quarantäne. Das bereitet richtige Schwierigkeiten; an ganz vielen Standorten sind auf einmal so viele Mitarbeiter ins Krank geschlittert, dass das wirkliche Probleme macht und es hört auch irgendwie nicht auf. Im März hatten wir den bisherigen Höchststand: 20 Prozent der Belegschaft waren gleichzeitig krankgeschrieben. Im April waren es dann 17 Prozent, dann ging es im Mai und Juni runter – wenn auch weiterhin auf einem hohen Stand und jetzt im Juli schießen die Krankentage wieder durch die Decke. Zusammen mit den jetzigen Sommerferien ist es eine Herausforderung genügend Leute zusammen zu ziehen.

Haben Sie dafür bereits Bewältigungsstrategien? Leute von A nach B schieben, innerhalb der Cluster?

Raemy: *lacht* Von A nach B, von C nach D und zurück!
Das ist ja auch der Kerngedanke von kenbi – viele kleine Büros, die sich gegenseitig unterstützen können. So dass, wenn in einem Büro Corona ausbricht, die anderen Büros das nicht haben und aushelfen können. Das Hilft.

Aber natürlich verstärken wir auch das Overhiring. Bei den meisten Metriken unseres Wachstumsplans sind wir zwischen 95 und 102 Prozent und personalmäßig bei 120 Prozent über dem Plan. Das ist natürlich langfristig ohnehin wichtig für das Wachstum, hilft aber nun kurzfristig auch intern. Und auch das Thema Zeitarbeitsfirmen ist aktuell wichtig – nur sind diese natürlich sehr teuer und lohnen sich nicht wirklich.

Gibt es bereits absehbare Meilensteine, die Sie für den Rest des Jahres vor Augen haben?

Raemy: Wir kündigen ja immer ungern Meilensteine voraus an – sind aber nun bei 2.200 versorgten Kunden angelangt, exklusive den Beratungskunden, die noch einmal obendrauf kämen. Wir sind mit unserem Wachstum also sehr zufrieden; das Ziel wäre dann weiteres Wachstum. Ziel ist es bei euch in den Top 15 zu sein – und das liebe früher als später.

Haben die aktuellen politische Entscheidungen aus Berlin im Bereich der Pflege bereits spürbaren Einfluss auf Ihr Unternehmen?

Raemy: Sie gehen wohl auf die Tariftreue ein. Das ist eine wirklich interessante Sache. Natürlich haben alle Pflegekräfte davon gehört – und alle Pflegekräfte fragen konstant wann gehen die Gehälter nach oben, wann werden sie angepasst, wie betrifft das uns? Es gehen viele Gerüchte um wer jetzt was im Landkreis schon getan haben soll oder nicht getan hat. Zeitgleich bekommen wir vom bpa die Anweisung: ‚Wir wissen noch gar nicht was ihr machen müsst, denn wir haben noch keine klare Ausgangslage dafür‘.

Wir haben jetzt zig Excel-Listen erstellt, wie die Gehälter sind, wie die hochgesetzt werden müssen. Reichen das ein, kriegen das zurück mit Angaben: Es ist gelinde gesagt kompliziert. Wir haben uns erst einmal für den Durchschnitt der Region entschieden, was glaube ich auch die meisten Pflegedienste an den meisten Standorten so handhaben. Das führt uns aber zum nächsten Problem: Niemand weiß was der Durchschnitt in der Region ist, weil das Gesetz erst ab dem 01.09. in Kraft tritt.

Aber dennoch: Im Grunde genommen bin ich dafür. Die Gehälter gehen nach oben, das macht es leichter interessante und gute Leute zu finden. Zudem steigen ja auch die Preise, die wir von den Kassen abrufen können, was das kompensiert. Jetzt müssten nur noch die Beträge der Pflegekassen im selben Ausmaß nach oben gehen, denn sonst baden es die Kunden aus und das wollen wir ja auch nicht.

Gibt es etwas, das Sie den anderen Top 40 unter 40 mit auf den Weg geben möchten?

Raemy: Mich würde mehr Zusammenarbeit unter den Pflegediensten freuen. Eigentlich ziehen wir ja alle am selben Strang, aber es herrscht noch immer viel Einzelkämpfertun bei den Diensten in der Region. Am Ende des Tages wollen wir ja alle das gleiche – daher wäre mehr Kooperation super. Wir sind da auch total offen als kenbi, einerseits, um über unser Konzept zu reden und es anderen auch aufzuzeigen und auch andererseits von anderen zu lernen oder Partnerschaften einzugehen. Gerade auch wenn es darum geht Probleme mit der Digitalisierung anzugehen.

Es ist total verrückt, wenn man sich überlegt, was wir theoretisch schon alles dürften und könnten, was aber immer wieder verschoben wird um ein paar Jahre, weil die Politik oder die Kassen noch nicht so weit sind. Es wäre großartig, wenn wir da alle mal einen Schritt gehen und uns überlegen könnten, wie wir gemeinsam mit Kassen und Politik reden, dass wir da schneller vorankommen.

Aber auch generell Zusammenarbeit – bei Mönchengladbach haben wir einen super Dienst, die uns einfach mal zwei Pflegekräfte ausgeliehen haben, da sie wissen, dass wenn sie mal einen Corona-Fall haben, wir ihnen ebenso unter die Arme greifen werden. Sowas würde ich mir auch bei anderen Diensten wünschen – überall.

Über den Interviewpartner

Clemens Raemy ist Co-Founder bei kenbi – nach einigen Jahren Auslandserfahrung hat der Absolvent der Harvard Business School sich nun für den Pflegemarkt entschieden. Raemy arbeitete in Südamerika, als seine Großmutter in Deutschland gepflegt werden musste. Die Idee für Kenbi sei aus der fehlenden Möglichkeit heraus entstanden, die Pflegekräfte seiner Großmutter digital zu unterstützen.