Mit der jährlichen Auszeichnung Top 40 unter 40 werden junge Führungskräfte in der Pflege aus, die bereits zu den führenden Akteuren der Pflege gehören, wichtige Aufgaben im Pflegemarkt übernehmen und Innovationen vorantreiben. In diesem Jahr zählt auch Marie-Luise-Bertels, geschäftsführende Gesellschafterin von Zerhusen & Blömer, zur Auswahl der Top 40 unter 40. Wir haben in einem exklusiven Interview mit ihr darüber gesprochen, welchen Branchenbezug und welche persönliche Motivation sie prägt, welche Herausforderungen aber auch Lösungsansätze in der Pflege bestehen und wie ihre Meinung zu Technologie und Innovation aussieht. Auch wurde über die Zukunftsaussichten in der Pflegebranche gesprochen.
Was war Ihre bisher größte Herausforderung als Führungskraft – und wie haben Sie sie gemeistert?
Bertels: Die größte Herausforderung war, in einer wirtschaftlich angespannten Lage mutige Entscheidungen zu treffen – ohne dabei das Vertrauen der Mitarbeitenden zu verlieren. Mir war wichtig, transparent zu kommunizieren, präsent zu sein und Haltung zu zeigen. Ich glaube daran: Schwierige Situationen bestehen wir nur gemeinsam – mit Klarheit, Teamgeist und echtem Respekt.
Wie hat sich Ihre Sicht auf Führung in der Pflege seit Ihrem Einstieg verändert?
Bertels: Am Anfang dachte ich: Führung bedeutet, die Richtung zu kennen. Heute weiß ich: Es geht viel mehr darum, Räume zu schaffen, in denen andere wachsen können. Gute Führung in der Pflege braucht Klarheit, Präsenz – und das ehrliche Interesse am Gegenüber.
Welche strukturellen Probleme in der Pflege sind Ihrer Meinung nach noch zu wenig im Fokus?
Bertels: Pflege wird immer noch zu oft aus der Perspektive der Kosten gedacht – nicht aus der des Menschen. Was fehlt, ist eine systematische Stärkung der mittleren Leitungsebene und eine echte Aufwertung der Pflegearbeit – nicht nur finanziell, sondern auch gesellschaftlich.
Welche Veränderungen wünschen Sie sich in der Pflegebranche?
Bertels: Ich wünsche mir mehr Mut zur Veränderung – auf allen Ebenen. Weniger Bürokratie, weniger Symbolpolitik, mehr ehrliches Hinschauen: Was brauchen Menschen wirklich, um gut zu pflegen und gepflegt zu werden? Und dann: gemeinsam anpacken. Nachhaltig. Verbindlich.
Wie erleben Sie den Einsatz digitaler Tools in Ihrer Einrichtung – eher als Hilfe oder als Belastung?
Bertels: Als Chance. Wenn Technik dem Menschen dient – und nicht umgekehrt – kann sie entlasten, Prozesse vereinfachen und sogar Nähe ermöglichen. Entscheidend ist: Sie muss sinnvoll eingeführt, erklärt und begleitet werden.
Welche technologischen Entwicklungen könnten Ihrer Meinung nach die Pflege wirklich entlasten?
Bertels: Digitale Dokumentation mit Spracherkennung, intelligente Tourenplanung, Entbürokratisierung durch automatisierte Prozesse – alles, was die Fachlichkeit stärkt und die Zeit am Menschen erhöht, ist ein Gewinn.
KI ist weiterhin ein Buzzword – Welche KI-Lösung würden Sie heute nicht mehr hergeben?
Bertels: Die Tourenplanung im ambulanten Bereich und Chatbots zur schnellen Beantwortung von Standardfragen. Beide entlasten spürbar – aber nur, wenn sie in ein gutes Gesamtkonzept eingebettet sind. Da ist auch bei uns noch Ausbaupotenzial.
Welche Trends werden Ihrer Meinung nach die Branche am stärksten prägen?
Bertels: Der Fachkräftemangel wird uns zwingen, Pflege neu zu denken. Gleichzeitig werden die Themen Vereinbarkeit, Digitalisierung und werteorientierte Führung immer relevanter – und das ist gut so.
Welche Entwicklungen im Markt beobachten Sie aktuell mit besonderem Interesse?
Bertels: Ich schaue sehr genau auf neue Wohnformen, auf Kooperationen mit anderen Pflegeanbietern und auf interprofessionelle Teams. Außerdem wird uns die KI bei vielen Prozessen innerhalb der Verwaltung und der Planung entlasten. Da liegt viel Potenzial – für echte Versorgungsqualität.
Was möchten Sie als Führungskraft in den nächsten Jahren aktiv mitgestalten?
Bertels: Ich möchte Pflegeeinrichtungen zu Orten machen, in denen Menschen sich gesehen fühlen – ob als Gast, BewohnerIn oder Mitarbeitende. Und ich möchte weiter dazu beitragen, dass Führung in der Pflege menschlich bleibt – klar, verbindlich und mutig nach vorn gerichtet.
Über die Interviewpartnerin
Marie-Luise Bertels
„Führen in der Pflege heißt für mich mutig Verantwortung übernehmen, Orientierung geben und Entwicklung möglich machen – immer mit dem Menschen im Mittelpunkt. Denn Pflege verändert sich – und wir gestalten mit. Mit Haltung und mit dem festen Willen, Lebensqualität für alle zu schaffen, die bei uns leben und arbeiten.“

