Der Transaktionsmarkt in der Pflege erlebte im Jahr 2022 einige Höhen und Tiefen. Während die Immobilienübernahmen spürbar einbrachen, gab es wiederum gerade im Bereich der betrieblichen Übernahmen und Konsolidierungen einige spannende Übernahmen, aus denen zudem neue Betreiber hervorgingen, deren Zielsetzung klar ist: Mitglied in den Top 30 Pflegeheimbetreibern zu werden.

Inhaltsverzeichnis:


    Im gesamten Jahr 2022 gab es rund 140 Deals im Pflegemarkt, ebenso viele wie im Jahr zuvor – insgesamt 95 der Übernahmen entfielen dabei auf den Bereich der Betriebsübernahmen (im Jahr 2021 waren es noch 85), 45 in den Bereich der Immobilienübernahmen – im Jahr 2021 waren es noch mehr als 50 – dabei zeigt sich insbesondere, dass auch das Volumen der Deals im Immobilienmarkt deutlich geschrumpft ist. Ähnliche Erkenntnisse beschert uns auch ein Blick auf die betrieblichen Übernahmen. Zwar lag die Gesamtzahl der Deals im Bereich der betrieblichen Übernahmen leicht über der Anzahl im Jahr zuvor, doch insgesamt waren die Deals deutlich kleiner – insgesamt wurden rund 330 Standorte übernommen, im Vorjahr waren es noch über 500.

    Insgesamt wurden in betrieblichen Übernahmen 79 Pflegeheime mit rund 6.000 Betten übernommen, sowie 50 betreute Wohnanlagen mit mehr als 1.000 Wohneinheiten, 23 Tagespflegen mit rund 300 Plätzen, 95 Pflegedienste mit mehr als 7.000 Versorgungen, und 84 Wohngemeinschaften mit etwa 643 Plätzen.

    Besonders der Bereich der teilstationären Pflege nahm dabei einen Rückgang hin – im Jahr 2021 waren es noch 94 betreute Wohnanlagen mit mehr als 3.500 Wohneinheiten, 92 Tagespflegen mit rund 2.850 Plätzen und 158 Wohngemeinschaften mit etwa 1.400 Plätzen. Ein Großteil dieser teilstationären Übernahmen ging dabei im vergangenen Jahr jedoch auch auf die Übernahme der advita durch die DomusVi zurück. Zwar gab es auch in diesem Jahr einige größere Übernahmen, eine Transaktion in dieser Größenordnung blieb jedoch aus.

    Novent steigt in den Markt ein, aiutanda wächst überdurchschnittlich

    Gleich in der ersten Jahreshälfte 2022 fand der größte Deal des Jahres statt. im April übernahm die neu gegründete Novent Holding GmbH 16 Pflegeheime von der Korian AG (Rang 1 der Top 30 Pflegeheimbetreiber in Deutschland) mit insgesamt 1.700 vollstationären Plätzen – damit setzt sich die Novent Holding direkt auf Platz 30 der 100 größten privaten Pflegeheimbetreiber.

    Zu dem übernommenen Portfolio gehören neben 16 Pflegeheimen auch eine Tagespflege mit 12 Plätzen, sowie an 4 Standorten zusätzliche Wohneinheiten im betreuten Wohnen. Im Durchschnitt wurden die übernommenen Pflegeheime im Jahr 1996 erbaut und weisen eine Einzelzimmer-Quote von durchschnittlich 70 Prozent auf. Mit der Übernahme gibt die Korian rund 6 Prozent ihres aktiven Portfolios im Bereich der vollstationären Pflege an die Novent Holding ab. Deren Geschäftsführer und Gesellschafter sind dabei keine Unbekannten – Dierk Mohring, zuletzt als Geschäftsführer der Mohring Gruppe mit dem Betrieb von 10 Pflegeeinrichtungen aktiv, die im Januar 2020 von der Alloheim übernommen wurde, teilt sich die Gesellschafteranteile mit der HCRE Betriebs GmbH. Deren Hauptgesellschafter Jonas Rabe gründete die als Projektentwicklungsgesellschaft gestartete Unternehmensgruppe nach seinem Ausstieg aus der Terragon. Auch der zweite Geschäftsführer der Novent Holding, Fabian Blanda, ist bereits seit beinahe 20 Jahren im Pflegemarkt aktiv und ist aktuell auch Teil der Geschäftsführung der HCRE Gruppe.

    Große Änderungen am Markt: Linimed übernimmt Livreo, opseo übernimmt AIH, VidaCura Kujipers, aiutanda die Kunze Gruppe

    Abseits dieser Übernahme gab es jedoch keine einzelnen Deals mehr in solch einer Größenordnung – wenngleich auch einige Deals deutliche Auswirkungen auf den Markt haben werden. Zu nennen wäre hier die Übernahme der Alpha Care GmbH durch die Linimed. Diese ist Eigentümer der Livreo GmbH, die nach Linimed auf Rang 4 der größten Pflegedienste im Bereich der außerklinischen Intensivpflegedienste steht. Bereits im Rückblick der Intensivpflege für das Jahr 2019 fiel Livreo ins Auge – das erst Ende 2018 im Handelsregister eingetragene Unternehmen zählte bereits damals zu den aussichtsreichsten Neueinsteigern in der außerklinischen Intensivpflege. Zu Beginn des Jahres 2019 hatte die Tulipa Care GmbH, Tochterunternehmen der Livreo GmbH, den Baden-Württembergischen Anbieter außerklinischer Intensivpflege „PGS Baden-Württemberg GmbH“ übernommen und somit seinen Marktstart eingeläutet.

    M&A Analyse 2022 - Betreiber mit den meisten übernommenen Einheiten 2022

    Im Jahresverlauf 2019 kamen mit der immerda GmbH, der Ambulante Intensivpflegedienst Herz GmbH, der Gesundheitspflege Helle-Mitte GmbH und der Intensivpflege Herz und Hand GmbH weitere Unternehmen hinzu. Im Jahr 2021 vergrößerte sie sich noch mit der Übernahme der Beix Pflege GmbH – 2022 wurde das aufstrebende Unternehmen nun selbst von einem der größten Betreiber übernommen, der sich anschickt mit opseo um den zweiten Platz in der Aufstellung der größten Betreiber für Intensivpflege zu konkurrieren.

    Diese Übernahme war, nach der Übernahme der AIH durch opseo bereits die zweite große Übernahme zwischen zwei Betreibern der Top 15 außerklinische Intensivpflege im Jahr 2022. Die Übernahme der AIH selbst war der viertgrößte Deal im ersten Quartal 2022 – nach der Übernahme des Balu Kinderpflegedienst Ende Januar 2022 hat die opseo Gruppe, eine der größten Intensivpflegedienste Deutschlands sich mit dieser Übernahme im Bereich der außerklinischen Intensivpflege noch weiter gestärkt. Derzeit pflegt die A.I.H. Holding GmbH insgesamt rund 200 PatientInnen und betreibt rund 25 Wohngemeinschaften in Städten wie Fürth, München, Nürnberg, Passau und Regensburg sowie einer Anzahl kleinerer Kommunen.

    Neben der Übernahme durch die Linimed war die Übernahme der Kujipers Holding GmbH durch VidaCura die zweitgrößte Übernahme im ersten Quartal 2022. Die Kuijpers bietet dabei Pflege in allen Segmenten an und verstärkt die ohnehin wachstumsstarke VidaCura noch einmal deutlich – durch die Übernahme würden allein die Standorte für Pflegeheime um 11 Prozent, die Standorte der Tagespflegen um 15 Prozent, die Standorte für Betreutes Wohnen um 17 Prozent und die Standorte für Pflegedienste um sogar 38 Prozent wachsen. Mit der Übernahme der Senioren- und Pflegeheime Kaschube GmbH und der Askanierhaus GmbH wuchs die VidaCura im Jahr 2022 noch zusätzlich und belegt mittlerweile Rang 22 der Top 30 Pflegeheimbetreiber – nicht umsonst ist die VidaCura auch einer der Aufsteiger des Jahres 2022.

    Eine weitere große Übernahme im Jahr 2022 stellte die Übernahme der Kunze Gruppe durch die aiutanda dar.  Mit dem Abschluss der Transaktion hat das 2017 gegründete Gesundheitsunternehmen aiutanda den größten Zukauf in seiner Geschichte getätigt und einen wichtigen Akteur im Pflegemarkt in seine Struktur integriert.

    Die Kunze Gruppe mit rund 25 Mio. Euro Umsatz und ca. 3,1 Mio. Euro EBITDA gehört ab nun zur aiutanda Süd-Ost, die dadurch ihr Einzugsgebiet von Cottbus über Zittau bis nach Plauen in Sachsen erweitert. Neben den operativen Betreibergesellschaften hat aiutanda noch zwei weitere Projektentwicklungsgesellschaften erworben. Diese umfassen ein im Bau befindliches Objekt in Görlitz, dessen Eröffnung für Herbst 2023 geplant ist, sowie weitere Grundstücke mit Entwicklungspotenzial. Neben der Übernahme der Kunze Gruppe übernahm die aiutanda noch weitere Unternehmen und sichert sich somit den Platz als Betreiber mit den meisten übernommenen Kapazitäten 2022 – und zog sogar in die Liste der Top 15 Pflegedienste 2023 ein.

    Auch Hera Residenzen mit starkem Wachstum

    Bei solch großen Übernahmen einzelner Betreibergruppen ist es kein Wunder, das jede der bislang genannten Unternehmen zu den Top 5 Betreibern mit den meisten übernommenen Kapazitäten im Jahr 2022 gehörte.

    Nicht außer Acht lassen darf man dabei jedoch die Hera Residenzen, welche mit 11 Übernahmen mehr als 1.400 neue Versorgungsmöglichkeiten in ihre Gruppe aufnehmen konnten und zudem auch in neue Bundesländer (wie Berlin) vorstieß. Dies lässt das Unternehmen, trotz Ermangelung eines einzelnen großen Deals, ebenfalls in die Top 5 aufsteigen – tatsächlich verzeichnete kein Betreiber so viele Übernahmen wie die Hera, die auch zu den größten privaten Anbietern im Bereich der Pflegedienste gehört.

    M&A Analyse 2022 - Übernommene Kapazitäten der Top 30 Betreiber im Jahr 2022

    Abseits der Hera Residenzen, der aiutanda und der VidaCura, die alle zu den größten Betreibern der Pflegebranche zählen, war es unter den Top Betreibern im Bereich der Transaktionen, wie bereits im vergangenen Jahr, eher ruhig. Zwar zeigten Charleston, Alloheim, Convivo und auch Korian vereinzelt Übernahmen, dennoch lag der Fokus der größten Betreiber in diesem Jahr eindeutig auf internen Strukturierungsmaßnahmen, von denen es dank neuer gesetzlicher Regelungen genügend gab, sowie dem organischen Wachstum.

    Immobilienübernahmen rückläufig


    Insgesamt wurden in Immobilienübernahmen 49 Pflegeheime mit mehr als 5.100 Betten übernommen, sowie 12 betreute Wohnanlagen mit mehr als 400 Wohneinheiten, 6 Tagespflegen mit rund 100 Plätzen und 2 Wohngemeinschaften mit etwa 25 Plätzen. Damit verzeichnet der Bereich der Immobilienübernahmen einen deutlichen Rückgang im Vergleich zum vorangegangenen Jahr 2021, 93 Pflegeheime mit mehr als 8.700 Betten übernommen, sowie 29 betreute Wohnanlagen mit mehr als 2.100 Wohneinheiten, 12 Tagespflegen mit rund 220 Plätzen und 14 Wohngemeinschaften mit etwa 130 Plätzen übernommen wurden. Gerade im Markt der Immobilientransaktionen zeigen sich spürbar die Auswirkungen der im Jahr 2022 aufgekommenen Turbulenzen in der Bau- und Energiebranche, welche weitere Herausforderungen in den Markt gebracht haben.

    M&A Analyse 2022 - Immobilieninvestoren mit den meisten übernommenen Einheiten 2022

    Die größten Immobilieninvestoren waren dabei in diesem Jahr die Cofinimmo mit rund 920 übernommenen Plätzen, die Hemsö mit etwa 530 übernommenen Plätzen, die TSC mit 500 übernommenen Plätzen, die IMMAC mit rund 450 übernommenen Plätzen und THREESTONES mit rund 400 übernommenen Plätzen – gerade im Bereich der größten Immobilieninvestoren zeigt sich weiterhin, dass die vollstationäre Pflege zu den attraktivsten Segmenten der Pflege für Investoren gehört; der Anteil teilstationärer Versorgungen beläuft sich hier meist auf unter 10 Prozent.