Zum 01.09.2022 tritt das neue Tariftreuegesetz für die Pflege in Kraft. Das bedeutet, dass ab dem 1. September 2022 nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen werden – und können mit der Pflegeversicherung abrechnen – die ihre Pflege- und Betreuungskräfte mindestens in Tarifhöhe bezahlen. Dabei wurden verschiedene Untergrenzen für unterschiedliche Qualifizierungen festgesetzt:

  • für ungelernte Pflegehilfskräfte 13,70 Euro
  • für qualifizierte Hilfskräfte 14,60 Euro
  • für Pflegefachkräfte 17,10 Euro

um diese Tarifhöhe nachzuweisen, müssen Pflegebetreiber bestehende Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen übernehmen (viele freigemeinnützige Betreiber – und besonders die konfessionellen – haben mit der Tarifpflicht kein Problem, wie uns auch in unserer Umfrage unter den 100 größten Betreiber bestätigt wurde). Alternativ können sie gegenüber den Pflegekassen erklären, dass sie ihren Pflegekräften eine Vergütung in Höhe des „regional üblichen Entgeltniveaus“ bezahlen. Zwar sollten die gestiegenen Kosten zu 100 Prozent von den Kostenträgern übernommen werden, doch Interviews mit einigen der führenden Betreiber zeigten auf, dass sich bei den Verhandlungen diese Übernahme aktuell als schwierig erweist.

Inhaltsverzeichnis:

  • Durchschnittliche Pflegeheimkosten 2022
  • Anteil an Sozialhilfeempfängern könnte sich in Zukunft hälftig verteilen
  • Auswirkungen auf den Markt
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    Durchschnittliche Pflegeheimkosten 2022

    Besonders betroffen von dem neuen Tariftreuegesetz sind dabei die Betreiber stationärer Einrichtungen – da die Pflegesätze (insbesondere die Refinanzierung des Pflegepersonals) mit den Kassen vereinbart werden; die Kassen zahlen aber nur einen fixen Betrag. Steigen nun die Kosten, geht dies zu Lasten der Bewohner. Zeitgleich wird womöglich auch die Belastung der Kassen steigen, die aufgrund der kleinen Pflegereform je nach Länge des Aufenthalts im Pflegeheim einen größeren Anteil der (nun weiter steigenden) EEE-Kosten übernehmen, wie unsere Analyse zeigt.

    Aktuell liegen die durchschnittlichen Kosten für einen Pflegeheimplatz bei 2.289,58€ (Stand Juni 2022) pro Monat – wobei es hier sowohl zu starken regionalen Unterschieden wie auch zu unterschieden zwischen gemeinnützigen, kommunalen und privaten Anbietern kommt.

    Aktuell liegen die durchschnittlichen Kosten für einen Pflegeheimplatz bei 2.289,58€ (Stand Juni 2022) pro Monat – wobei es hier sowohl zu starken regionalen Unterschieden, wie auch zu Unterschieden zwischen gemeinnützigen, kommunalen und privaten Anbietern kommt. Die Selbstzahler in Pflegeheimen stemmen diese Kosten in der Regel mit Hilfe von angespartem Vermögen und eher selten nur über die eigene Rente. Aufgrund der hohen monatlichen Kosten zeigt sich bei nüchterner Betrachtung der Durchschnittsrente (laut DRV: 1.029,79€ / Männer: 1203,53€ / Frauen: 856,05€) im Vergleich zu den Kosten eines Pflegeheimplatzes, dass nach Aufbrauchen des Vermögens eine Aufstockung durch Sozialhilfe in den meisten Fällen benötigt wird.

    Anteil an Sozialhilfeempfängern könnte sich in Zukunft hälftig verteilen

    Um ein Verständnis für das Ausmaß des aktuellen Anteils an Sozialhilfeempfängern in der stationären Pflege zu bekommen und um die Auswirkungen des Tariftreuegesetzes und den damit verbundenen Kostensteigerungen auf den Anteil an Sozialhilfeempfängern abschätzen zu können, startet die Redaktion eine Umfrage: Befragt wurden die 100 größten privaten Pflegeheimbetreiber – deren Antworten anonymisiert ausgewertet wurden. Insgesamt verfügen die Betreiber, die geantwortet haben, über mehr als 650 Pflegeheime und versorgen mehr als 64.000 Patienten, was etwa 17 Prozent aller Pflegeheimbewohner in privaten Heimen in Deutschland entspricht.

    Aktuell zeigt sich, das rund 34 Prozent der Bewohner in den Pflegeheimen auf Sozialhilfe angewiesen sind. Die Betreiber gehen jedoch von einer deutlichen Steigerung dieses Anteils aus – dieser zeigt zwar je nach Betreiber leichte Schwankungen, insgesamt ist aber davon auszugehen, dass nach dem Tariftreuegesetz der Anteil der Sozialhilfeempfänger auf 55 Prozent ansteigen wird.

    Aktuell zeigt sich, das rund 34 Prozent der Bewohner in den Pflegeheimen auf Sozialhilfe angewiesen sind. Die Betreiber gehen jedoch von einer deutlichen Steigerung dieses Anteils aus – dieser zeigt zwar je nach Betreiber ebenso leichte Schwankungen, insgesamt ist aber davon auszugehen, das nach dem Tariftreuegesetz der Anteil der Sozialhilfeempfänger auf 55 Prozent ansteigen wird.

    Auswirkungen auf den Markt

    Dies könnte weitere Auswirkungen auf dem Markt haben – da dies auch die Refinanzierung für Betreiber erschwert. Auch die Immobilienbewertungen dürften fallen, da Pflegeheimbetreiber in der Regel nur die Mieter, nicht die Besitzer einer Pflegeheim-Immobilie sind – allein im vergangenen Jahr wurden rund 100 Pflegeheime von Immobilieninvestoren übernommen, wie Sie in unserer M&A Analyse nachlesen können.

    Betreiber sind gesetzlich dazu verpflichtet die Miete über Investkosten-Sätze zu refinanzieren. Während die Betreiber grundsätzlich bei Selbstzahlern die Mietkosten an die Bewohner weitergeben können, sieht das Gesetz vor, dass für Sozialhilfebewohner grundsätzlich ein behördlich gedeckelter, oft deutlich geringerer, Betrag weiterbelastet werden darf.

    Der IK Sozialhilfe liegt sehr oft unter der der Miete – es entsteht somit eine strukturelle Finanzierungslücke. Das gedeckelte Investkostensätze dabei zu geringerem Bauvolumen führen, hat bereits eine Analyse unseres Teams im Auftrag des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. ergeben: hier wurde die Entwicklung der Pflegelandschaftin Nordrhein-Westfalen unter die Lupe genommen, in welchem die Investitonskosten bereits gedeckelt sind. Zustätzlich zu diesen Faktoren kommt auch noch die allgemeine starke Inflation zum tragen, welche ebenfalls zu weiteren Preissteigerungen führt.

    Nach Einschätzung eines der befragten Betreiber könnten auch Immobilienbestandshalter betroffen sein, da die bisher vereinbarten Mieten aufgrund der Änderungen für den Betreiber nicht mehr nachhaltig seien und dieser eine Refinanzierungslücke aufweisen könnte. Dies führe dazu, dass de Betreiber den Vertrag nicht mehr zu gleichen Konditionen verlängern könne – und auch anderen Wettbewerbern dürfte dies schwer fallen. Die Immobilienbewertungen des Bestands dürften daher eine empfindliche Wertberichtigung spüren. Es sei ein offener Dialog zwischen Bestandshaltern und Betreibern notwendig, um die Finanzierungsmöglichkeiten auszuloten.

    Timm Klöpper von der Convivo Unternehmensgruppe stand für ein Zitat zur Verfügung:

    „Bessere Bezahlung in Verbindung mit der Tariftreueregelung  ist sicherlich ein wichtiger Baustein, um das Fundament der Pflege weiter zu festigen. Generell wird es aber von großer Bedeutung sein müssen, dass wir als Gesellschaft die Finanzierung von Pflege ganzheitlich betrachten. Mit dem aktuellen Finanzierungssystem sorgten wir für eine weitere Stigmatisierung der Pflege, da ein noch größer Teil der Pflegebedürftigen auf Sozialhilfe angewiesen ist. Die bisherigen gesetzlichen Entlastungen sind keinesfalls ausreichend und nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es muss auf allen Ebenen erreicht werden, dass die Pflege die Aufmerksamkeit erhält, was seit Jahren verpasst wurde. Dies gilt für Politik, Medien und Gesellschaft gleichermaßen.Das beinhaltet insbesondere das Bewusstsein, dass gute Pflege und Betreuung mit einer fairen Bezahlung und ausreichend personellen Ressourcen seinen Preis hat. Diese Kosten müssen in nachhaltige Finanzierungsstrukturen gebracht werden, so das pflegebedürftige Menschen die ihren Beitrag zur Gesellschaft geleistet haben, zukünftig nicht zu zu einem noch höheren Anteil auf Sozialhilfe angewiesen werden. Hier müssen alle Generationen ihren Teil zu beitragen und es muss ein Umdenken stattfinden, das die Pflege einen selbst höchstens im hohen Alter etwas angeht.“