Mit der Übernahme der DPUW im Jahr 2020 trat die Argentum aus dem Nichts in die Reihe der Top 30 Pflegeheimbetreiber ein – seitdem folgten mehrere Übernahmen und Neubauten, was die Argentum Holding im Jahr 2020 zum Pflegeheimbetreiber mit den meisten übernommenen Plätzen machte (die gesamte Analyse lesen Sie hier). Die Redaktion von pflegemarkt.com hat nun ein Interview mit dem CEO von Argentum, Michael Thanheiser und dem CFO, Etienne Maurer führen können und sprach mit den beiden über die Zukunft der Gruppe, Digitalisierung und die Auswirkung neuer Gesetzgebungen.


Sehr geehrter Herr Thanheiser (CEO), sehr geehrter Herr Maurer (CFO) – die Argentum Gruppe gehört neben der Convivo zu einem der Senkrechtstarter der vollstationären Pflege in den letzten Jahren – aus dem Stand gelang Ihnen Anfang 2020 der Sprung in die Top 30 Pflegeheimbetreiber als Platz 21 und alles sieht danach aus, dass Sie dieses Jahr erneut einige Plätze höher klettern könnten. Wie gehen Sie bei Ihrem Wachstum vor?

Thanheiser: Wir sind ja erst einmal mit einem nur kleinen Nukleus gestartet. Mit kaum einer Handvoll Einrichtungen, die wir dann im Sommer mit einer sehr großen Übernahme – der DPUW-Gruppe – verstärkt haben. Die DPUW allein hatte ja bereits über 2.500 vollstationäre Plätze, mit denen unser Portfolio erweitert wurde.

Dabei musste beinahe jedes Haus wirtschaftlich erst einmal durchsaniert werden, was wir mittlerweile auch so weit abgeschlossen haben. Das heißt wir haben sämtliche Häuser dieser Gruppe einmal angefasst und nebenbei, aus diesem größeren Nukleus heraus, weitere Einzelübernahmen getätigt. So dass wir von der Manpower her in der Lage waren alle Standorte anzufassen, komplett umzudrehen und danach neue Akquisitionen zu tätigen.

Das heißt, Sie schauen sich ein neues Target an und, sofern es sich wirtschaftlich rentiert, erfolgt eine Übernahme mit, sofern nötig, anschließender Sanierung, ehe Sie ein neues Target ins Auge fassen?

Maurer: Es können auch mal mehrere Targets parallel laufen. Das kommt immer ganz auf die Größe an. Wenn ich, perspektivisch gesehen, ein Target mit zehn oder mehr Standorten habe, tuen wir uns natürlich schwer nebenbei nochmal ein Target dieser Größenordnung laufen zu lassen, aber kleinere Einzelübernahmen sind durchaus im Bereich des Möglichen. Um ein starkes Wachstum hinzulegen, wie es 2020 mit 26 Einrichtungen passiert ist, muss man eine volle Pipeline haben. Und wir nehmen ja auch nicht jedes Target, das uns angeboten wird – der Markt ist ja doch recht groß. Targets gibt es immer, die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Sind sie es wert weiter verfolgt zu werden?

Wir möchten vor allem langfristig, strategisch und gesund wachsen. Dazu gehört auch die Targets einem gewissen Prozess zu unterziehen. Verschiedene Due Diligence-Projekten – sowohl InHouse als auch OutHouse, um hinter die Fassade zu blicken und nicht um jeden Preis zu wachsen. Das ist elementar. Dabei ist es für uns auch von Bedeutung mit welchen Partnern wir uns dabei zusammentun. Wenn wir da ein ungutes Gefühl haben wollen wir natürlich nicht investieren.

Es laufen also immer Sachen parallel, aber bis zum Ende werden nur die Projekte verfolgt, die zu uns und unserem bestehenden Portfolio an Einrichtungen passen. Wir wollen selbstverständlich eine ganzheitliche Pflege abdecken und sehen uns als Full-Service-Dienstleister, der das das gesamte Betreuungsangebot der Pflege anbietet .

Neben den erwähnten Übernahmen legen Sie auch viel Wert auf organisches Wachstum und arbeiten dabei auch mit Carestone zusammen – wie wichtig sind komplexe Angebotsstrukturen in der Pflege heute, Ihrer Meinung nach?

Thanheiser: Ein breites Spektrum bezieht sich nicht nur auf die einzelnen Sektoren vollstationäre Pflege, ambulante Pflege, betreutes Wohnen, Tagespflege, sondern auch auf die Spezialisierungen wie Intensiv- oder Demenzpflege innerhalb der stationären Einrichtungen. Da muss man sich einfach vom allgemeinen Markt differenzieren. Das tun wir – und das wollen wir auch tun. Da wo es passt, sind betreute Wohnanlagen und Tagespflege für uns wichtig – aber niemals separat, sondern immer auch an stationären Einrichtungen gekoppelt, weil wir da die wichtige Infrastruktur haben.

Sie bieten ebenfalls Angebote in der Intensivpflege an – welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) in den nächsten Jahren?

Thanheiser: Wir haben jedes Jahr mit gesetzlichen Regelungen zu tun. Am Ende des Tages wird es sehr geprägt sein von den neuen politischen Konstellationen, die sich ja gerade finden. Wir werden das nehmen was kommt – wir können aufgrund unserer Strukturen sowohl Intensivpflegewohngemeinschaften anbieten als auch Intensivpflege in die stationäre Pflege einbinden. Da sind wir flexibel.

Maurer: Begrüßenswert ist es natürlich, wenn der Zugang zur medizinischen Rehabilitation verstärkt wird. Das ist etwas, für das wir auch stehen. Neben der Intensivpflege betreuen wir auch bspw. Wiedereingliederungspflege.

Thanheiser: Wir haben auch – ganz aktuell – Long-Covid-Konzepte erstellt, die wir mit den Krankenkassen und dem Gesundheitsministerium gespiegelt haben. Darin sehen wir auch langfristigen Bedarf, da das Thema Corona weiterhin virulent ist und bleibt. Wir sind darauf vorbereitet solche und ähnliche Konzepte umzusetzen.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie im aktuellen Pflegemarkt?

Thanheiser: Wir haben einige ganz große Themen auf der Nachfrageseite. Wir werden in den nächsten zehn Jahren große Zuwächse in der stationären Pflege haben. Eine Nachfrage, die wir nur befriedigen können, wenn wir ausreichend Fachkräfte haben und eine gewisse politische Entspannung auf der Immobilienseite bekommen – gerade was die gesetzliche Regelung betrifft.

Dafür muss ein Betreiber vorbereitet sein – ich denke wir sind gut ausgerichtet. Wir sind sehr stark in der Mitarbeitergewinnung, sowie der Fort- und Weiterbildung tätig. Das sind die Voraussetzung, um die Einrichtungen am Ende des Tages auch neu belegen zu können. Deswegen haben uns auch eine ganze Reihe an Neueröffnung zugetraut.

Werden sich diese Parameter Ihrer Ansicht nach durch die Pflegerform 2022 ändern?

Thanheiser: Die Finanzierung wird auf breitete Füße gestellt werden müssen, wenn der Preis für den Bewohner gedeckelt wird. Das kann am Ende des Tages nur über die Pflegeversicherung hinausgehend mit Steuergeldern finanziert werden. Das ist für einen Betreiber womöglich sogar eher eine gute Lösung, da es mehr Geld in ein System hineinspült, welches – unter anderem coronabedingt – einen erheblichen Kostendruck verspürte, der irgendwie aufgefangen werden muss.

Maurer: Da kann ich mich meinem Kollegen nur anschließen. Es wird spannend was die Zukunft bringt, aber am Ende des Tages haben wir als Betreiber eine soziale Verantwortung – und die hat auch die künftige Regierung. Wir können also nur auf einen guten politischen Partner hoffen, der uns ermöglicht den Bewohnern auch eine gute Pflege bieten zu können.

Zum Abschluss eines der größten Themen unserer Zeit – die Digitalisierung. Wie digital ist Argentum bereits heute, und wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Thanheiser: Wir haben, angesichts des Alters der Argentum, die wesentlichen Ressourcen dazu verwendet die einzelnen Standorte mit unseren zentralen Strukturen zu vernetzen und sie so effizient aufzustellen, dass wir die operativen Einheiten gut führen können. Dafür sind die Datenübermittlungen aus den einzelnen Häusern entscheidend.

Um damit noch einmal zur ersten Frage zurückzukommen – die Integration in die bestehende Struktur ist uns sehr, sehr wichtig, damit wir die Argentum-Struktur zeitnah auf die einzelnen Standorte überstülpen, ohne jedoch das Knowhow der einzelnen Gesellschaften zu überfrachten.

Wir haben kein umfassendes Branding – daher ist für uns das Haus vor Ort entscheidend. Die nächsten Schritte werden weitere Digitalisierungen sein – das sehen wir auch als wichtiges Thema. Dazu haben wir nicht zuletzt ein aktuelles Projekt angestoßen, was unter anderem digitale Gesundheitsakten betrifft. Die Vernetzung zwischen den einzelnen Gesundheitsbereichen: Niedergelassene Ärzte, Pflegeheime, Krankenhäuser wird eine entscheidende Ausrichtung sein, um die Herausforderungen im Gesundheitsmarkt bewältigen zu können.

Wo sehen Sie sich als Argentum als einzigartig im Markt?

Maurer: Eine Sache fällt mir da sofort ein, die wir immer vorne anstellen: Sowohl bei einer Übernahme als auch beim laufenden Geschäft. Wir versuchen nicht zu agieren wie alle anderen Gruppen und einfach von oben alles zu kontrollieren und zu steuern. Wir versuchen dezentraler zu arbeiten und Individualisierung und Bedürfnisse der einzelnen Einrichtungen zuzulassen.

Also wie Herr Thanheiser schon sagte: Das Haus vor Ort ist am wichtigsten und die Struktur der Gruppe soll eher ergänzend fungieren?

Thanheiser: Genau. Daher haben wir auch eine sehr dezentrale Struktur, mit der einzelne Entscheidungen auch regional und lokal gefällt werden können, die wir dann natürlich zentral bündeln. Aber wir unterscheiden uns definitiv von den anderen großen Anbietern durch eine ganz cleane Overhead-Struktur. Das ist möglich, da unsere Crew jahrzehntelange Erfahrung aufbietet, auch wenn wir als Unternehmen noch sehr jung sein mögen. Somit sind auch schnelle Entscheidungen möglich.

Über die Interviewpartner

Michael Thanheiser, CEO der Argentum Gruppe ist seit mehr als 20 Jahren im Pflegemarkt aktiv. Bevor er im Jahr 2018 die Argentum Gruppe gründete, war er bereits als CEO für die Cura Group (2013-2017), die Marseille Kliniken (2011-2013) und die KMG Kliniken (1997-2010) aktiv gewesen .

Etienne Maurer, CFO der Argentum Gruppe kann mehr als 6 Jahre Erfahrung in der Transaktions- beratung im Bereich Pharma und Healthcare aufweisen und gehört seit 2021 zur Argentum Gruppe. Zuvor war er bei der EY Strategy & Transactions.