Bereits in der Übersicht der M&A-Transaktionen in der Pflege 2020 bezeichnete die Redaktion die Hera Residenzen als einen der Newcomer des Jahres – auch dieses Jahr hat das Unternehmen mit Fokus auf die ambulante Pflege bereits wieder mehrere Übernahmen getätigt und ihren Wachstumswillen gezeigt. Wir konnten mit dem Geschäftsführer Andreas Mildner über den bisherigen Weg und die Zukunft des Unternehmens sprechen.


Sehr geehrter Herr Mildner, vor Ihrer Zeit bei Hera Residenzen waren Sie Senior Project Manager für die EastMerchant Capital GmbH. Was hat Sie dazu bewogen in die Pflege zu wechseln?

Mildner: In den 15 Jahren vor Hera-Residenzen habe ich mich im Prinzip immer mit zwei Themen beschäftigt: Das eine war Projektmanagement, also das Lösen eines Problems mit Hilfe einer Gruppe an Menschen, das andere war Cash-Flow-basierte Finanzierungen; in ganz unterschiedlichen Bereichen. Angefangen bei Immobilien, hinüber zu großen Vermögensgütern wie Flugzeugen.

Seit 2017 habe ich mich dann parallel mit dem Thema Gesundheit beschäftigt und auch tatsächlich einen Karrierewechsel erwogen. Im ersten Moment hatte ich jedoch noch die therapeutische Richtung ins Auge gefasst. Als ich dann eines Tages mit meinem MentorDaniel S. Peña Sr., darüber sprach, riet er mir schnell dazu in die Pflegebranche zu gehen. Er selbst war Anfang der 2000er an dem Aufbau einer großen Pflegegruppe, Four Seasons Healthcare (anm.d.Red.: Top 25 Pflegeheimbetreiber in Europa) beteiligt.

Als wir ins Gespräch über den deutschen Gesundheitsmarkt und dessen Herausforderungen kamen, entstand so recht schnell der Gedanke Hera Residenzen zu gründen, mit dem Gedanken: Nicht jeder Pflegedienst muss sich mit den Herausforderungen allein herumschlagen, sondern kann dies als Gruppe angehen. Wir wollten Kompetenzen bündeln und aufbauen, von denen jeder einzeln profitiert.

Was finden Sie am Pflegemarkt besonders interessant?

Mildner: Wenn man als BWLer von außen in die Pflege schaut, hat man natürlich erst einmal einen sehr nüchternen Blick auf die Branche. Das änderte sich dann relativ schnell, als man sich erst einmal mit den ersten Eigentümern und Pflegern an einen Tisch gesetzt hat. Da wuchs bei mir rasant das Verständnis für den Einsatz und die Verantwortung, welche hier gezeigt wird. Das hat unser Denken definitiv bestimmt und geprägt.

In der Pflege gibt es Nebenthemen, mit denen sich der Pflegende selbst eher ungern beschäftigt – unsere Überlegung war, ihnen hier den Rücken freizuhalten, damit das Maximum an Zeit und Energie auf die Pflege selbst, statt auf unliebsame Nebenthemen gelegt werden kann.

Was definieren Sie denn als „unliebsame Nebenthemen“?

Mildner: Fangen wir aus der Sicht eines Eigentümers an: Was sind denn die Anforderungen, damit ich wirklich einen Pflegedienst gründen kann? Eine Ausbildung in die Alten- und Krankenpflegerrichtung, eine Ausbildung als PDL.

Diese Menschen kommen aus dem sozialen Bereich – und all die Themen wie betriebswirtschaftliche Prozesse und Strukturen, Buchhaltung, IT – das ist wichtig, aber die Motivation der Eigentümer liegt hier nicht ganz oben. Die Gründer haben die Pflege im Blick, was auch absolut richtig ist.
Aber ab einer bestimmten Größe muss man sich als Unternehmen mit den eben genannten Aspekten beschäftigen. Und es fehlt nicht nur die Lust oder das Verständnis für diese Themen, sondern oftmals auch einfach die Zeit im Pflegealltag – wie baue ich meine IT-Architektur auf, wie handhabe ich die Buchhaltung?

Wir, in der großen Gruppe, können uns aber damit beschäftigen – und die einzelnen Dienste dann von unserer Struktur profitieren.

Die Hera Residenzen ist, nachdem Sie als einer der Newcomer des Jahres 2020 von unserer Redaktion ausgezeichnet wurde, dieses Jahr bereits durch acht weitere Übernahmen aufgefallen. Was war Ihnen bei den Übernahmen besonders wichtig?

Mildner: Der Gedanke von Hera ist: „Wir bringen Unternehmen zusammen und jeder profitiert von den Kompetenzen und Fähigkeiten des Anderen“.

Und das war bisher auch so – jeder Pflegedienst, den wir bislang übernommen haben, hatte einen Aspekt, den wir so noch nirgends hatten und den wir gut und gerne auch in den anderen Unternehmen implementieren konnten.

Darüber hinaus beginnt bei uns jede Übernahme mit dem Unternehmer – der menschliche Faktor ist uns sehr wichtig. Darüber hinaus überprüfen wir natürlich auch weniger weiche Faktoren: Stimmt die Qualität der Pflege in diesem Unternehmen, ist genug Personal vorhanden, wirtschaftet das Unternehmen auch erfolgreich?

Planen Sie im kommenden Jahr ein noch stärkeres Wachstum?

Wir wollen auf jeden Fall stark weiter wachsen. Unser eigenes mittelfristiges Ziel ist es bis 2025 insgesamt 100 Pflegedienste bei uns in der Gruppe zu vereinen. Das bedeutet natürlich, dass wir stetig weiterwachsen müssen.

Wie wichtig erachten Sie alternative Wohnformen, wie das betreute Wohnen, für die Zukunft der Pflege?

Mildner: Ich bin ein starker Befürworter des betreuten Wohnens. Hera Residenzen hat sich nicht umsonst stark auf die ambulante und teilstationäre Pflege fokussiert. Und das vor dem Hintergrund meiner eigenen Überlegungen – wenn ich einmal selbst pflegebedürftig werde, möchte ich so lange wie möglich in einem Umfeld der eigenen Häuslichkeit versorgt werden und ein selbstständiges Leben führen.

Und genau das ermöglicht nun mal die ambulante Pflege – sie unterstützt, aber man kann im gewohnten Umfeld seinem Leben nachgehen. Womöglich noch unterstützt mit Tagespflege oder, wenn stärkere Hilfe benötigt wird, auch im betreuten Wohnen.

Auch bei uns im Unternehmen haben wir mehrere betreute Wohnen und Wohngruppen – wir können bereits jetzt sehen, wie Menschen von der ersten, leichten, Pflegebedürftigkeit bis zum Ende ihres Lebens in diesen drei Ebenen behandelt werden können.

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie hier?

Die Chancen für den Einzelnen sind natürlich die hohe Selbstständigkeit. Zeitgleich ist so eine Wohnform in der Regel günstiger als das klassische Pflegeheim, was nicht nur für den Kunden eine Chance darstellt, sondern auch für die Kostenträger.

Und wenn ich an die Herausforderungen denke – Wohngruppen und betreutes Wohnen sind noch nicht deutschlandweit definiert, so dass es zu starken Unterschieden kommt. Es gibt auch Unterschiede was den Aufbau solcher betreuten Wohnanlagen und Wohngruppen anbelangt, auch wenn ich zugegebenermaßen nicht glaube, dass es diesen unbedingt braucht, solange die Qualität der Pflege stimmt.

Bleiben wir beim Thema Herausforderungen – was war die bisher größte Herausforderung für Hera Residenzen, Ihrer Meinung nach?

Mildner: Im ersten Schritt war die größte Herausforderung die personellen Strukturen zu schaffen, um das große Wachstum, das wir in der Vergangenheit hatten – und anstreben – auch stemmen zu können.

Da haben wir aktuell eine sehr gute zweite Führungsebene, bei Hera Residenzen sind ja Herr Flottmeier und ich die Geschäftsführer und darunter haben wir eine fantastische Ebene an Regionalleitern, sehr erfahrene Leute. Da wir alle für das Thema brennen können wir diese großartigen Strukturen schaffen. Aber es ist natürlich ein dynamischer Prozess, der daher immer wieder Änderungen unterworfen ist.

Und wenn ich auf dieses Jahr speziell schaue, war das Thema IT eine der größten Herausforderungen. Seit Beginn des Jahres haben wir uns damit beschäftigt eine unternehmensweite IT-Infrastruktur aufzusetzen und das Thema Digitalisierung voranzubringen.

Wenn wir mal unsere Historie betrachten – wir haben einzelne Pflegedienste in die Gruppe aufgenommen und da war der Status der Digitalisierung immer höchst unterschiedlich. Wir hatten Unternehmen, die quasi papierlos gearbeitet haben, andere sind noch mit ihrer Mappe für den Leistungsnachweis durch die Gegend gefahren und haben immer alles fein säuberlich abgehakt.

Wir mussten also einen einheitlichen Standard schaffen – und dabei noch die Mitarbeiter mitnehmen. Gerade für die älteren Mitarbeiter ist das Thema Digitalisierung etwas, womit sie natürlich nicht aufgewachsen sind, und wir mussten ihnen auch die Vorteile vermitteln.

Wir machen Digitalisierung ja nicht zum Selbstzweck, sondern um Zeit und Ressourcen zu sparen.

Haben Sie womöglich selbst aktuelle Tipps, welche Sie eventuell auch selbst implementieren oder nutzen?

Mildner: Machen wir nochmal einen Schritt zurück zum Thema Digitalisierung – gerade während Corona hat dieses Thema einige große Schritte nach vorne gemacht, nicht nur, weil wir dieses Interview per Webmeeting führen können. Das Thema Digitalisierung hat sogar bei den Krankenkassen Einzug gehalten – was aber immer noch fehlt ist, dass die zu pflegende Person, oder der Betreuer, auch digital auf dem iPad oder Smartphone unterzeichnen kann. Aktuell ist es immer noch so, dass ich zwar alles digitalisieren kann, am Ende des Monats aber mit den doch wieder ausgedruckten Leistungsnachweisen die Unterschrift ganz analog einfordern muss. Das ist nicht effizient.

Wir selbst haben uns auch stark mit Digitalisierung dieses Jahr beschäftigt – und uns am Ende dann auch für MediFox entschieden. Diese helfen uns auch die Digitalisierung in die einzelnen Pflegedienste zu bringen. Wichtig ist natürlich, dass man auch noch einen passenden IT-Dienstleister hat, der sich mit den Themen Datenschutz, IT, etc. gut auskennt, um für die Zukunft gewappnet zu sein.

Über den Interviewpartner

Andreas Mildner ist bereits seit über 15 Jahren in verschiedenen Unternehmen tätig, für die er nationale und internationale Projekte geleitet oder begleitet hat. Bei der Hera Residenzen Gruppe ist er für die Entwicklung und Leitung des Unternehmens verantwortlich. Er ist nicht nur ein Finanzexperte, der bereits Projekte mit einem Volumen von über einer Milliarde Euro finanziert hat, sondern hat eine ebenso große Affinität am Aufbau und der Entwicklung von Teams, in denen jeder seine Talente bestmöglich zum Erreichen eines gemeinsamen Ziels einsetzen kann.