Mit der jährlichen Auszeichnung Top 40 unter 40 werden junge Führungskräfte in der Pflege aus, die bereits zu den führenden Akteuren der Pflege gehören, wichtige Aufgaben im Pflegemarkt übernehmen und Innovationen vorantreiben. In diesem Jahr zählt auch Christian Potthoff, Geschäftsführer der Diakonie Michaelshoven, zur Auswahl der Top 40 unter 40. Wir haben in einem exklusiven Interview mit ihm unter anderem über seine Sicht auf Führung in der Pflege, welche strukturellen Probleme in der Pflege bestehen und den Einsatz digitaler Tools in der Pflege, gesprochen.
Was war Ihre bisher größte Herausforderung als Führungskraft – und wie haben Sie sie
gemeistert?
Potthoff: Ich sollte durch meinen Vorgänger an die Tätigkeit als Geschäftsführer herangeführt werden. Mein Vorgänger erkrankte, der erste Corona-Lock-Down stand bevor und ich war als Betriebswirt ohne Pflegekenntnisse derjenige, der die Pflege und Wohnen der Diakonie Michaelshoven verantwortlich durch die Krise führen sollte. Mit den Worten meines Vorstands Prof. Uwe Ufer „Jetzt können Sie mal zeigen, was Sie können – wer Krise kann, der kann auch Alltag.“, nahm ich die Challenge an. Ich habe auf die Fähigkeiten meiner Mitarbeitenden gesetzt, mich von Ihnen beraten lassen und Entscheidungen getroffen. Wir haben die Krise gemeinsam gemeistert, ich habe viel gelernt und bin zum Geschäftsführer bestellt worden.
Wie hat sich Ihre Sicht auf Führung in der Pflege seit Ihrem Einstieg verändert?
Potthoff: Ich bin mit 33 Jahren in der Corona-Krise sehr jung Geschäftsführer geworden. In meinen Anfängen gab es einen Christian als Privatperson und einen Christian als Geschäftsführer. Mir ist schnell klargeworden, dass ich 700 Mitarbeitende nur begeistern und erfolgreich Zukunft der Pflege gestalten kann, wenn ich authentisch bin. So habe ich mich intensiv damit auseinandergesetzt, für welche Werte ich stehe und welche Eigenschaften mich ausmachen. Meine Werte wurden Bestandteil unserer Unternehmensgrundsätze und meine Eigenschaften im Pflegealltag für Kunden und Mitarbeitende erlebbar.
Welches Buch oder welchen Podcast würden Sie jungen Führungskräften in der Pflege
empfehlen?
Potthoff: Pflege Digital von Christoph Schneeweiß
Welche strukturellen Probleme in der Pflege sind Ihrer Meinung nach noch zu wenig im
Fokus?
Potthoff: Wir können uns die hohen baulichen und fachlichen Standards nicht mehr leisten. Für mich steht fest, dass diese nicht für die Lebensqualität der Menschen erforderlich sind. Zukünftig brauchen wir wenige, sehr gut ausgebildete Fachkräfte für die Erhebung des Leistungsbedarfs sowie Steuerung des Pflegeprozesses und viele „helfende Hände“, die angeleitet Leistungen erbringen und fürs Wohlbefinden sorgen.
Welche Veränderungen wünschen Sie sich in der Pflegebranche?
Potthoff: Noch weniger Jammern und mehr MACHEN !
Wie erleben Sie den Einsatz digitaler Tools in Ihrer Einrichtung – eher als Hilfe oder als
Belastung?
Potthoff: Wir haben mit Vivendi, voize, dem Pflegecampus, der Bringliesel etc. viele digitale Tools
eingeführt, die uns entlasten und Zeit für mehr Menschlichkeit mit dem Kunden bringen.
Welche technologischen Entwicklungen könnten Ihrer Meinung nach die Pflege wirklich
entlasten?
Potthoff: Sofern wir die Bürokratie nicht abbauen, helfen uns alle Technologien, die den Bürokratieaufwand reduzieren. Mitarbeitende in der Altenhilfe wollen sich um Menschen kümmern und nicht 30 % ihrer Tätigkeit mit Papierkram befasst sein.
KI ist weiterhin ein Buzzword – Welche KI-Lösung würden Sie heute nicht mehr hergeben?
Potthoff: voize, einfach nur voize!
Welche Trends werden Ihrer Meinung nach die Branche am stärksten prägen?
Potthoff: Die Digitalisierung und das Auslandsrecruiting werden unsere Branche in den nächsten
Jahren weiterhin stark prägen.
Welche Entwicklungen im Markt beobachten Sie aktuell mit besonderem Interesse?
Potthoff: Die Entwicklung von Alternativen zur stationären Pflege. Wir sind derzeit auch dabei, mit unseren Kunden und Mitarbeitenden innovative Konzepte zu entwickeln. In Kürze können wir mehr dazu berichten.
Was möchten Sie als Führungskraft in den nächsten Jahren aktiv mitgestalten?
Potthoff: Als Zukunftsgestalter der Pflege wollen wir gemeinsam mit der Uniklinik Köln Prävention und Rehabilitation in unseren Wohn- und Pflegeangeboten verankern, so dass Pflegebedarf nicht entsteht, in seinem Fortschritt verlangsamt und das Well-Being gesteigert wird. Positiver Nebeneffekt: finanzielle Entlastung des Gesundheits- und Pflegesystems. Dies konnten wir bereits mit der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken und der pflegepolitischen Sprecherin der CDU/CSU Simone Borchardt besprechen.
Über den Interviewpartner
Christian Potthoff
„Seit fünf Jahren führe ich die Pflege und Wohnen der Diakonie Michaelshoven mit Herz, Vision und Innovationskraft. Die Pflege von morgen entsteht nur im Miteinander von Kunden, Mitarbeitenden und Wissenschaft. Aus den gewonnenen Impulsen entwickeln wir Innovationen, die mein Team zu echten Zukunftsgestaltern machen. Wir erzählen mit Begeisterung positive Geschichten vom Lieblingsplatz Michaelshoven und zeigen, wie lebendig und wertvoll Altenpflege sein kann.“

