Mit der jährlichen Auszeichnung Top 40 unter 40 werden junge Führungskräfte in der Pflege aus, die bereits zu den führenden Akteuren der Pflege gehören, wichtige Aufgaben im Pflegemarkt übernehmen und Innovationen vorantreiben. In diesem Jahr zählt auch Nico Rausch, Leiter Unternehmensentwicklung bei der CURATA Care Holding GmbH, zur Auswahl der Top 40 unter 40. Wir haben in einem exklusiven Interview mit ihm unter anderem über seine Sicht auf Führung in der Pflege, welche strukturellen Probleme in der Pflege bestehen und wie Künstliche Intelligenz die Pflege entlasten könnte, gesprochen.
Was war Ihre bisher größte Herausforderung als Führungskraft – und wie haben Sie sie gemeistert?
Rausch: Als junger Quereinsteiger in der Pflege habe ich in einer Phase großer Veränderungen die Verantwortung für Unternehmensentwicklung und Digitalisierung übernommen. Ich habe diese Herausforderung angenommen und bewusst genutzt, um neue Strukturen aufzubauen, die heute in der gesamten Gruppe wirken.
Ich habe sie gemeistert, indem ich konsequent auf Transparenz, klare Prioritäten und enge Zusammenarbeit mit unseren Einrichtungen gesetzt habe. Das hat mir schnell das Vertrauen gegeben, interdisziplinäre Teams anzuleiten und große Transformationsprojekte erfolgreich umzusetzen.
Wie hat sich Ihre Sicht auf Führung in der Pflege seit Ihrem Einstieg verändert?
Rausch: Führung bedeutet für mich heute deutlich mehr als Steuerung und Projektmanagement. Ich habe gelernt, dass gute Führung in der Pflege eine Kombination aus Klarheit, Empathie und Konsequenz ist.
Wer heute führen will, muss Hindernisse aktiv aus dem Weg räumen, Orientierung geben und Entscheidungen treffen, wenn andere zögern. Diese Haltung prägt meinen Führungsstil und hilft mir, Teams auch durch anspruchsvolle Phasen zu leiten.
Welches Buch oder welchen Podcast würden Sie jungen Führungskräften in der Pflege empfehlen?
Rausch: Ich empfehle den Podcast „Handelsblatt Disrupt“ sowie das Buch „Deal!“ von Jack Nasher. Beide Formate zeigen sehr klar, wie konsequentes, wertorientiertes Handeln und strukturiertes Denken Unternehmen stabil und zukunftsfähig machen. Gerade in der Pflege sind diese Prinzipien ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Welche strukturellen Probleme in der Pflege sind Ihrer Meinung nach noch zu wenig im Fokus?
Rausch: Ein strukturelles Problem, das zu wenig Beachtung findet, ist die fehlende Verzahnung zwischen pflegefachlichen Anforderungen und moderner Organisationsentwicklung. Viele Einrichtungen versuchen Herausforderungen isoliert zu lösen, etwa Personalgewinnung ohne Prozessoptimierung oder Digitalisierung ohne Veränderungsmanagement.
Auch Themen wie IT-Sicherheit oder nachhaltige Gebäudetechnik werden oft zu spät berücksichtigt, obwohl sie maßgeblich über Versorgungssicherheit und Zukunftsfähigkeit entscheiden.
Welche Veränderungen wünschen Sie sich in der Pflegebranche?
Rausch: Ich wünsche mir mehr Mut zu Spezialisierung und Differenzierung. Nicht jede Einrichtung muss alles können, aber sie sollte das, was sie leistet, besonders gut beherrschen. Dazu braucht es klare Profile, moderne Konzepte, verlässliche Prozesse und eine enge Vernetzung von Digitaltechnik, Personaleinsatz und Versorgungsqualität.
Zudem wünsche ich mir eine Entbürokratisierung und eine konsequent digital gedachte Pflege, mit echter Entlastung statt zusätzlichen Dokumentationspflichten.
Wie erleben Sie den Einsatz digitaler Tools in Ihrer Einrichtung – eher als Hilfe oder als Belastung?
Rausch: Digitalisierung ist dann eine Hilfe, wenn sie richtig eingeführt wird. Digitale Tools können enorm entlasten – wenn Prozesse vorher sauber strukturiert und logisch aufgebaut sind. Werden digitale Tools jedoch „übergestülpt“, werden sie zur Belastung.
Deshalb setze ich auf strukturierte Projektierung, Schulungen, Key-User-Systeme und kontinuierliche Prozessfeedbacks. So wird Digitalisierung zu einem echten Vorteil.
Welche technologischen Entwicklungen könnten Ihrer Meinung nach die Pflege wirklich entlasten?
Rausch: Technologien, die wirklich entlasten, sind solche, die zeitfressende Routinetätigkeiten reduzieren. Dazu gehören automatisierte Leistungsnachweise, intelligente Dienstplanung, sensorbasierte Sturz- und Präsenzdetektion, smarte Bewohnerrufsysteme, digitale Medikationsprozesse und KI-Assistenten, die Dokumentation, Informationssuche und das Aufnahmemanagement vereinfachen.
Diese Technologien schaffen das, was in der Pflege am wertvollsten ist: mehr Zeit für Menschen.
KI ist weiterhin ein Buzzword – Welche KI-Lösung würden Sie heute nicht mehr hergeben?
Rausch: KI-gestützte Dokumentations-/Dienstplanungsassistenz und Wissensabfragen. Sie beschleunigen Entscheidungen, reduzieren Suchzeiten und verbessern die Pflegequalität. Für mich ist KI kein Trendthema, sondern ein Werkzeug, das wir strategisch nutzen müssen.
Welche Trends werden Ihrer Meinung nach die Branche am stärksten prägen?
Rausch: Drei Trends werden entscheidend sein:
- Spezialisierung von Einrichtungen sowie die regionale Clusterung zur Schaffung von Synergieeffekten
- Digitalisierung und Automatisierung operativer Prozesse mit echter Entlastung
- Nachhaltige, energieeffiziente und intelligente Bewirtschaftung von Pflegeimmobilien
Diese Trends werden bestimmen, welche Träger langfristig bestehen.
Welche Entwicklungen im Markt beobachten Sie aktuell mit besonderem Interesse?
Rausch: Ich beobachte insbesondere die Entwicklung hin zu teil- und vollspezialisierten Einrichtungen, etwa für rehabilitative Pflege, Menschen mit psychischen Erkrankungen oder spezialisierte Wohnformen. Gleichzeitig sehe ich großes Potenzial im gezielten Einsatz von KI und in der Weiterentwicklung der Telematikinfrastruktur, um endlich sektorübergreifend arbeiten zu können und um das geliebte Faxgerät schnellstmöglich ad acta legen zu können.
Was möchten Sie als Führungskraft in den nächsten Jahren aktiv mitgestalten?
Rausch: Ich möchte aktiv dazu beitragen, Pflegeeinrichtungen zukunftssicher zu gestalten: digital, spezialisiert, fachlich stark und wirtschaftlich stabil.
Mein Anspruch ist es, Strukturen zu bauen, die Teams entlasten, Bewohnern mehr Lebensqualität geben und Unternehmen befähigen, nachhaltig zu wachsen.
Ich sehe meinen Beitrag darin, die CURATA weiter als modernen, sicheren und spezialisierten Pflegeanbieter auszurichten. Mit Hilfe klarer Prozesse, resilienter IT, starker Konzepte und echter Innovationskraft.
Über den Interviewpartner
Nico Rausch
“Führung bedeutet für mich nicht verwalten, sondern vorangehen. Ich habe gelernt, dass gute Führung in der Pflege eine Kombination aus Klarheit, Empathie und Konsequenz ist. Wer heute führen will, muss Hindernisse aktiv aus dem Weg räumen, Orientierung geben und Entscheidungen treffen, wenn andere zögern. Diese Haltung prägt meinen Führungsstil und hilft mir, Teams auch durch anspruchsvolle Phasen zu leiten.“

