Mit der jährlichen Auszeichnung Top 40 unter 40 werden junge Führungskräfte in der Pflege aus, die bereits zu den führenden Akteuren der Pflege gehören, wichtige Aufgaben im Pflegemarkt übernehmen und Innovationen vorantreiben. In diesem Jahr zählt auch Sebastian Satzvey, Kaufmännischer Leiter SCHÖNES LEBEN Gruppe, zur Auswahl der Top 40 unter 40. Wir haben in einem exklusiven Interview mit ihm unter anderem darüber gesprochen, welche Trends seiner Meinung nach die Pflege prägen, seine bisher größte Herausforderung als Führungskraft und den Einsatz digitaler Tools in der Pflege.
Was war Ihre bisher größte Herausforderung als Führungskraft – und wie haben Sie sie gemeistert?
Satzvey: Eine meiner ersten Personalentscheidungen war die Einstellung eines Quereinsteigers. Das Team war skeptisch, und auch ich hatte Zweifel, ob der Schritt richtig ist. Am Ende habe ich mich bewusst für Vertrauen entschieden und ihm die Chance gegeben, sich zu beweisen. Heute gehört er zu unseren stärksten Mitarbeitenden. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie wertvoll Offenheit und Zutrauen in der Führung sind.
Wie hat sich Ihre Sicht auf Führung in der Pflege seit Ihrem Einstieg verändert?
Satzvey: In einer Branche, die strukturell oft unter Druck steht, habe ich gelernt, wie wichtig partizipative Führung ist. Gute Entscheidungen entstehen selten im Alleingang. Gleichzeitig spielt Effizienz eine große Rolle, gerade in administrativen Bereichen. Für mich heißt das: Menschen einbeziehen, Prozesse digitalisieren und immer wieder den Mut haben, bestehende Strukturen zu hinterfragen.
Welches Buch oder welchen Podcast würden Sie jungen Führungskräften in der Pflege empfehlen?
Satzvey: Ich empfehle Formate, die den Blick weiten und über den Tellerrand der Branche hinausgehen. Führung wird besser, wenn man Impulse aus unterschiedlichen Disziplinen aufnimmt und sie auf die Pflege überträgt.
Welche strukturellen Probleme in der Pflege sind Ihrer Meinung nach noch zu wenig im Fokus?
Satzvey: Der bürokratische Aufwand ist nach wie vor ein massiver Belastungsfaktor. Digitalisierung wird oft als Bedrohung statt als Chance gesehen, und Perfektionismus blockiert manchmal den Fortschritt. Außerdem sprechen wir zu wenig darüber, wie unzureichend Pflege refinanziert ist und was das für Einrichtungen und Mitarbeitende bedeutet.
Welche Veränderungen wünschen Sie sich in der Pflegebranche?
Satzvey: Ich wünsche mir eine mutigere Auseinandersetzung mit Vergütungssystemen und eine echte Entbürokratisierung. Die Branche braucht Raum für Innovation, ohne dass die Rahmenbedingungen ständig auf der Bremse stehen.
Außerdem sollten wir Pflege grundsätzlich neu denken. Pflege ist nicht mehr das, was es war. Wir müssen mutig sein neue Gedankenansätze zu wagen, müssen geltende gesellschaftliche Themen wie Einsamkeit oder andersartige Familienkonstellationen in die Betrachtung einbeziehen. Neue Bedürfnisse wie Selbstbestimmtheit und Individualisierung müssen sich dringend im Pflege- oder Umsorgungsalltag widerspiegeln. Die Zeit des Stoffblumenbastelns ist vorbei und wir müssen schnell handeln, dies zu ändern.
Wie erleben Sie den Einsatz digitaler Tools in Ihrer Einrichtung – eher als Hilfe oder als Belastung?
Satzvey: Für uns ist Digitalisierung eine klare Unterstützung. Wir setzen bewusst auch branchenuntypische Systeme wie Salesforce ein und schaffen so eine enge Verzahnung unserer Leistungsbereiche. Mit CuraSoft arbeiten wir als Key User aktiv an Weiterentwicklungen, und im gesamten administrativen Bereich bauen wir MS-Tools, Automatisierungen und BI-Lösungen aus.
Welche technologischen Entwicklungen könnten Ihrer Meinung nach die Pflege wirklich entlasten?
Satzvey: Automatisierte Prozesse im administrativen Bereich entlasten indirekt die Pflege enorm, weil sie Ressourcen freisetzen. Ergänzend sehe ich großes Potenzial in KI-gestützten Lösungen für Dokumentation, Kommunikation und Prozessorganisation.
KI ist weiterhin ein Buzzword – Welche KI-Lösung würden Sie heute nicht mehr hergeben?
Satzvey: KI ist in der Pflegebranche immer noch unterschätzt. Wir nutzen zum Beispiel KI-gestützte Funktionen in unseren Kommunikationssystemen und Workflow-Tools, etwa bei Sipgate. Für uns ist das ein echter Treiber, weil es Abläufe strafft und Entscheidungen schneller macht.
Welche Trends werden Ihrer Meinung nach die Branche am stärksten prägen?
Satzvey: Die Frage der Refinanzierung wird der entscheidende Hebel sein. Gleichzeitig sehe ich neue Wohnformen wie Exklusives Service-Wohnen als wichtigen Trend, weil sie Versorgung flexibilisieren und Alternativen schaffen, ohne die Pflege weiter zu überlasten. Zudem sollten wir uns von der defizitäreren Betrachtungsweise auf das Alter lösen. Wir brauchen eine positive Sichtweise auf das Älterwerden, wir sollten mit Stolz auf die fortgeschrittenen Jahre schauen und neue Modelle entwickeln mit dem Älterwerden freudig umzugehen. Die Zielgruppe der erfahrenen Menschen wird wieder stärker in der Gesellschaft präsent sein und hier braucht es Konzepte, die Menschen in Projekte zu integrieren.
Welche Entwicklungen im Markt beobachten Sie aktuell mit besonderem Interesse?
Satzvey: Mich interessiert besonders, wie Dienstleistungen und Wohnformen enger miteinander verzahnt werden. Das schafft neue Lösungen für Menschen, die Unterstützung brauchen, aber nicht unbedingt vollstationär versorgt werden müssen.
Was möchten Sie als Führungskraft in den nächsten Jahren aktiv mitgestalten?
Satzvey: Ich möchte aktiv daran arbeiten, Strukturen nicht einfach hinzunehmen, sondern weiterzuentwickeln. Die Pflegebranche darf den Anspruch nicht verlieren, besser zu werden. Mehr noch, ich möchte Pflege neu denken, umgestalten und modernisieren. Das heißt: dranbleiben, gestalten, wachsen.
Über den Interviewpartner
Sebastian Satzvey
“Die Branche braucht Raum für Innovation, ohne dass die Rahmenbedingungen ständig auf der Bremse stehen. Zudem sollten wir uns von der defizitäreren Betrachtungsweise auf das Alter lösen. Wir brauchen eine positive Sichtweise auf das Älterwerden, wir sollten mit Stolz auf die fortgeschrittenen Jahre schauen und neue Modelle entwickeln mit dem Älterwerden freudig umzugehen.”

