Die VitalCura ist mit mittlerweile acht Standorten ein aufstrebender Pflegedienst, der durch die übernahme mehrerer Dienste ein neues Cluster in NRW gebildet hat und die Pflege weiterhin attrakiv machen möchte. Wir haben mit dem Geschäftsführer Simon Voß über seine Sicht auf den Markt und sein Unternehmen gesprochen.


Guten Tag Herr Voß, vielen Dank das Sie sich die Zeit nehmen – für unsere eiligen Leser: Wie würden Sie die VitalCura in einem Satz zusammenfassen?

Wir sind ein Pflegedienstverbund der für die Mitarbeiter, die Patienten, Angehörigen und die Pflegequalität einen Mehrwert schafft – das ist unser vorrangiges Ziel.

Welche Mehrwerte wären das?

Alles steht und fällt mit Mitarbeitern. Die Pflege – ich komme selbst ebenfalls aus der Pflege – hat sich in den letzten Jahren ziemlich stark entwickelt; allerdings nicht immer zum Positiven. Das merkt man daran, dass viele Leute keine Lust mehr haben, in die Pflege zu gehen – oder aber jene, die bereits in der Pflege aktiv sind, diese wieder verlassen.

Gute Mitarbeiter brauchen gute Rahmenbedingungen – und gute Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden: Punkt.

Ich habe als Regionalleiter eines ambulanten Pflegedienstverbundes selbst miterlebt wie viel einfacher es mit mehreren Standorten ist, Mitarbeitern gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Und wenn Sie dies tun, haben Sie gute Mitarbeiter – schlechte Mitarbeiter werden dabei aussortiert. Sie haben automatisch dadurch eine bessere Versorgungsqualität.

Und wenn wir jetzt einmal einen Blick in die Zukunft wagen und die Pflege in acht Jahren begutachten (stille) – dann muss sich ja etwas ändern. Und wer jetzt nichts unternimmt wird es nicht einfacher haben.
Gerade die Kleinen haben es immer schwerer an Personal zu kommen. Viele gehen sogar out of Business und möchten nicht mehr. Mit nun 17.000 Pflegediensten in Deutschland, von denen ein Großteil der Babyboomer-Generation gehört; wieso sollten diese gut funktionierenden Pflegedienste schließen? Und genau da kommen wir ins Spiel: Wir von der VitalCura bieten den Unternehmern an, in den wohlverdienten Ruhestand auszusteigen. Und wir können so dann auch entsprechende Mehrwerte schaffen.

Erst im vergangenen Monat haben Sie gleich zwei Übernahmen bekannt gegeben – sowohl die JMC Pflege-Assistenz GmbH als auch die Ihr Pflegepartner Klieve & Winter GmbH gehören nun zu Ihrer Unternehmensgruppe. Was war für Sie der ausschlaggebende Punkt zur Übernahme? Was hat Sie überzeugt?

Zuerst einmal haben uns die Standorte überzeugt. Insbesondere der Standort in Köln ist natürlich hoch interessant, da hier ein Ausbau möglich ist. Wir halten natürlich nicht nur nach Pflegediensten Ausschau, die schon Top aufgestellt sind. Ähnlich wie bei einer Immobilienbewertung – wenn ich eine Immobilie kaufe, dann kaufe ich nicht den Diamanten, sondern den Rohdiamanten, den ich zum Diamanten entwickeln kann.Wir wollen auch immer, dass die Verkäufer, zumindest für eine gewisse Zeit, mit dabeibleiben. Das ist uns wichtig. Damit die Mitarbeiter keine Sorge haben müssen, dass sich nun ganz viel ändert. Das war auch bei diesen beiden Transaktionen der Fall. Aber insbesondere die Standorte und die Entwicklungspotentiale waren der ausschlaggebende Punkt für diese Übernahmen.

Sie haben mittlerweile bereits 8 Standorte – was waren die bisher größten Herausforderungen, die Sie meistern konnten?

Die größte Herausforderung haben wir bereits geschafft – wir haben ein Cluster in NRW gebildet. Und jetzt zeigen sich auch die ersten wirklichen Potentiale untereinander. Man hat auch ein deutlich größeres Team, auf das man zurückgreifen kann. Die Pflegedienste können sich auch untereinander gegenseitig unterstützen. Langsam werden wir auch bekannt in dem Bereich und bekommen einfacher neue Mitarbeiter und können auch unseren eigenen Mitarbeitern Arbeit in einem unserer anderen Standorte anbieten.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie im Pflegemarkt?

Die Chancen sehe ich insbesondere in der Tarifbindung, so dass es keine zwei Klassen Pflege mehr gibt. Es gibt dann nicht mehr die Caritativen mit der entsprechenden Refinanzierung und die Privaten mit einer in der Regel deutlich niedrigeren Refinanzierung, sondern es wird nun mehr oder weniger einheitlich. Damit besteht auch für beide Seiten mehr Potential, denn wenn ich mehr refinanzieren kann, dann kann ich auch Mitarbeitern bessere Angebote machen.

Ich kann somit vielleicht mehr Leute einstellen, um auch eine bessere Pflege zu gewährleisten. Da ergeben sich einige Chancen, insbesondere auch im Aufbau eines Clusters; welches sich gegenseitig unterstützten kann.

Und die Herausforderungen…
Die aktuelle Frage, die sich stellen wird – und das ist bereits jetzt ein Thema, das sich aber verschärfen wird – ist, wie kriege ich die Leute, die die Menschen versorgen in einer angemessenen Qualität? Die Herausforderung wird nicht mehr sein, freies Personal zu bekommen, sondern das Personal, das auf dem Markt ist für sich so zu gewinnen, dass sie Lust haben, weiterzuarbeiten.

Vor kurzem haben wir uns in einer Analyse einmal die offiziellen Zahlen des statistischen Bundesamtes zur Entwicklung der Pflegeberufe angesehen. Zum einen wie sich die Anzahl der Auszubildenden entwickelt hat, hier sahen wir einen kleinen Bruch durch die neue generalistische Pflegeausbildung. Und zudem sahen wir, dass die bereits aktiven Pflegekräfte immer älter werden. Wenn sie also nicht bereits zuvor die Pflege verlassen, werden sie irgendwann…

… aus Altersgründen aussteigen.

Genau. Was glauben Sie, was man tun müsste, um die Pflege auch für die junge Generation attraktiv zu machen?

Erst einmal müsste sich die Pflege eine positivere Sprache geben. Man hört immer nur – sowohl in den Medien als auch von den Pflegekräften selbst – wie schlimm, doof und schrecklich der Job ist.

Nicht gerade eine gute Publicity

Genau. Überhaupt keine gute Publicity. Ich selbst bin seit 2008 in der Pflege und höre das eigentlich seitdem. Und wenn ich mir jetzt vorstelle, ich bin 2008 ein fünfjähriges Kind und höre immer nur wie schrecklich der Job ist – dann habe ich jetzt, 2022 mit 19 Jahren, natürlich keine Lust auf diesen Job.

Das entspricht aber auch nicht der Realität. Die Menschen, die in der ambulanten Pflege arbeiten, lieben aber in der Regel ihren Job und arbeiten wunderbar. Und die Pflege gibt einem an sich auch sehr viel – wenn die bereits erwähnten Rahmenbedingungen stimmen. Wenn ich natürlich im ambulanten Bereich nur Teildienst fahre und am Wochenende Doppeldienste schiebe – und das 24/7… wer hat da heutzutage noch Lust drauf? Kein Wunder, dass es dann nicht funktioniert.

Die Personalsituation wird aber die Schwierigkeit der Zukunft sein. Die Kassen sperren sich da auch was die Zulassungsverfahren von ausländischen Pflegekräften angeht. Aber das wird kommen. Wenn die Kassen merken, dass die Lage wird noch prekärer wird, dann wird auch dort Bewegung passieren.

Neben dem Personal ist ein weiterer Dauerbrenner in unserer Redaktion das Thema Digitalisierung – wird diese Ihrer Meinung nach ein treibender Faktor sein, um fehlende Pflegekräfte auszugleichen und Prozesse zu verschlanken?

Selbstverständlich. Digitalisierung ist in allen Bereichen ein Riesenthema. Aktuell sieht es aber so aus, dass es, gerade in der ambulanten Pflege, 17.000 Insellösungen gibt und nichts  miteinander vernetzt ist. Man kann durch Digitalisierung viele Sachen vereinfachen, Ressourcen und Personal sparen. Aber auch Menschen in diesem Bereich ausbilden.

Es ist eben nicht nur eine Frage der Kostenersparnis oder Effizienzsteigerung. Man kann sich auch überlegen inwieweit kann man Menschen in diesem Bereich qualifizieren, damit diese dann Dinge tun, die mit Pflege zu tun haben. Das Thema Pflegeroboter ist auch immer im Raum. Das wird kommen – in Japan ist das bereits gang und gäbe. Andere Länder ziehen nach und in ein paar Jahren wird das auch hier ankommen. Ob das direkt angenommen wird, mag dahingestellt sein, aber es wird irgendwann einen Mix geben.

Kommen wir zurück zu Ihrem Pflegecluster. Haben Sie vor auch später neue Dienste auszugründen, oder ist es klüger, bestehende Pflegedienste zu übernehmen?

Wir behalten es uns natürlich auch vor, neue Standorte zu eröffnen, allerdings – aus reiner Investorensicht ist es einfacher funktionierende Dienste zu übernehmen. Und wieso sollten eben jene gut funktionierenden Dienste, die keinen Nachfolger haben, geschlossen werden?

Die Mitarbeiter können ihren Job behalten und oft hat man sogar Mitarbeiter dabei, die dann mehr Verantwortung übernehmen können – vielleicht schon immer mehr Verantwortung wollten, unter der alten Führung jedoch nicht so leicht bekommen haben. Diese kann man sehr gut nachqualifizieren. Wir sind sehr stark dabei Leute auch von vornherein aus- und weiterzubilden

Für Sie ist es also besonders spannend, bestehende Strukturen zu nutzen, die vorhandenen Mitarbeiter noch einmal nach neuen und bisher nicht genutzten Fähigkeiten abzuklopfen und diese dann auch auszubauen.

Genau – auch eine bessere Perspektive zu bieten. Gehalt ist natürlich wichtig, aber Menschen brauchen auch eine Perspektive. In einem Einzelunternehmen ist der Unternehmer oder die Unternehmerin oft auch die Pflegedienstleitung, macht das seit 30 Jahren und die Stellvertretung kann – wenn Sie Glück hat – auch mal den Posten übernehmen, hat aber auch keine Lust 30 Jahre darauf zu warten und geht dann zu Firmen, die auch entsprechende Perspektiven bieten. Das ist oft das Krankenhaus, da es dort ja viele Möglichkeiten gibt. Aber warum sollte es diese Möglichkeiten im ambulanten Bereich nicht auch geben? Es gibt Praxisanleiter, Hygienebeauftragte, Standortleitungen, Verwaltungsleitung und so weiter. All dies wird benötigt – in einem Einzelunternehmen ist dies aber für alle Seiten schwierig zu handeln.

Wenn man in einem großen Cluster agiert, hat man natürlich ganz andere Möglichkeiten, Leute zu qualifizieren.

Fokussieren Sie sich dabei ausschließlich auf den ambulanten Bereich?

Wir haben ja bereits Wohngemeinschaften und alles im ambulanten Bereich ist für uns interessant. Vielleicht kommen auch mal Demenzdörfer mit dazu. Die Spezialisierung bleibt aber ambulant.

Sind neben Demenz Themen wie außerklinische Intensivpflege perspektivisch interessant?

Intensiv-WGs könnten ins Raster fallen, allerdings konzentrieren wir uns erst einmal auf den klassisch ambulanten Bereich – insbesondere auf Grund der Personalsituation; hier ist der Intensivbereich noch schwieriger. Ich kenne selbst viele Intensivpfleger, die wollen mehr „Action“. Da ist es schwierig Leute zu bekommen, die Situation ist einfach eine andere als im Krankenhaus. Das hat sich zwar hier und da durch Corona ein wenig geändert, da die Intensivstationen so belastet waren und einige Intensivpfleger jetzt vielleicht etwas Ruhigeres suchen, ich glaube aber nicht, dass dieser Trend perspektivisch lange halten wird.

Wo wir gerade über Perspektive reden – wo sehen Sie die VitalCura in fünf Jahren?

In fünf Jahren? Im Jahr 2027 hat die VitalCura 150 Standorte deutschlandweit. Insbesondere in Ballungszentren. Jeder Pflegedienst und seine Strukturen sind einzigartig, profitiert jedoch von dem Gesamtnetzwerk. Und wir haben gut funktionierenden Leitungsrunden, die sich gegenseitig darin unterstützen, die Rahmenbedingungen für Patienten und Mitarbeiter noch ein wenig besser zu machen.


Über den Interviewpartner

Simon Voß ist der Gründer und Direktor der VitalCura. Er hat seinen Hintergrund im Pflegesektor und hat von der Pike auf Erfahrung im Bereich ambulanter Pflegedienste gesammelt. Als Pflegemanager hat er früh ambulante Pflegedienste geleitet sowie mehrere Unternehmen in weiteren Branchen mit Bezug auf das Gesundheitswesen aufgebaut. Nun etabliert er mit einem erfahrenen Team einen ambulanten Pflegeverbund auf, damit ambulante Pflege auch in 8 Jahren noch pflegenswert ist.