Der Pflegemarkt in Deutschland befindet sich, als Branche mit hohen Wachstumsraten, im Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Während häufig und insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise die Schwierigkeiten und Herausforderungen der Branche aufgezeigt werden, legt das Branchenportal pflegemarkt.com mit Analysen und Statistiken einen ganz eigenen Fokus auf den Pflegesektor.

Inhaltsverzeichnis:

  • Branchen des Sozialmarktes
  • Ambulantisierung in allen Branchen
  • Fragmentierte Märkte in allen Märkten des Sozialwesens
  • Doch nicht nur im Rahmen von Standort- und Regionalanalysen zeigen sich auch immer wieder Wechselwirkungen außerhalb der Branche. Ob Einrichtungen aus dem medizinischen Bereich, Rehabilitationseinrichtungen als Zuweiser für die stationäre Pflege, oder Apotheken und Sanitätshäuser als Versorger von Pflegebedürftigen – die Einflüsse auf den Pflegemarkt kommen nicht selten von außerhalb. Lassen Sie uns daher einen Schritt zurücktreten und den gesamten Sozialmarkt in Deutschland betrachten, dessen Teil der Pflegemarkt ist.

    Entwicklungen, die wir im Pflegemarkt erkennen, lassen sich häufig auch auf andere Bereiche im Sozialwesen übertragen. Neben den großen Wohlfahrtsverbänden, wie z.B. der Caritas, den Johannitern oder dem Deutschen Roten Kreuz, die aus der Historie bedingt ganzheitliche Angebote in nahezu allen Sektoren des Sozialmarktes bereitstellen, steigt die Zahl der Unternehmen mit komplexen Angeboten. Dennoch fällt eine ganzheitliche Sichtweise des Sozialmarktes schwer, nicht zuletzt aufgrund einer fehlenden und klaren Definition. Beschreiben lässt sich der Sozialmarkt am ehesten durch das Konzept des Marktes von Sozialleistungen, die den Bedürftigen durch Geld- Dienst- oder Sachleistungen durch Sozialleistungsträger zur Verfügung gestellt werden. Auch die Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst stellt eine Sachleistung dar, die durch die Pflege- und/oder Krankenversicherung geleistet wird. Geregelt sind die Sozialleistungen im Sozialgesetzbuch (SGB) I, detaillierte Einzelleistungen sind gemäß SGB II bis SBG XII definiert. Aus diesen Einzelleistungen ergeben sich schließlich die jeweiligen Leistungserbringer und Branchen. Ohne die Berücksichtigung medizinischer Leistungen, wie beispielsweise durch Ärzte oder Krankenhäuser, ergeben sich hauptsächlich vier Branchen, die sich als Märkte im ökonomischen Sinn und somit als Sozialmarkt definieren lassen. Die Bereiche des Sozialwesens, die durch diese Zuordnung nicht abgedeckt sind, werden in der Regel direkt durch öffentliche Träger, wie zum Beispiel den Städten und Kommunen erbracht und weisen keine marktwirtschaftlichen Merkmale auf.

    Sozialmarktstudie 2020 - Sozialwirtschaftliches Dreiecksverhältnis

    Branchen des Sozialmarktes

    Neben dem Pflegesektor zählen die Kinder- und Jugendhilfe, die Behindertenhilfe, sowie die Rehabilitation als weitere Branchen zum Sozialmarkt. Der Vergleich der Marktvolumina zeigt, dass der Pflegemarkt hierbei die führende Rolle einnimmt. Mit einem Volumen von jährlich 57 Mrd. Euro liegt der Pflegesektor vor der Kinder- und Jugendhilfe mit 51 Mrd. Euro, obwohl im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe mit 3,75 Mio. der höchste Wert an Leistungsempfängern verzeichnet wird. Das Marktvolumen der Behindertenhilfe beträgt jährlich rund 20 Mrd. Euro, das im Segment Reha etwa 11 Mrd. Euro.

    Sozialmarktstudie 2020 - Marktvolumen und Leistungsempfänger

    Auch das jährliche Wachstum zeigt deutliche Unterschiede. Während die Branche der Kinder- und Jugendhilfe, dessen zentraler Motor der Kindertagesbetreuung etwa zwei Drittel des Gesamtvolumens ausmacht, im Auswertungszeitraum von 2013 bis 2018 jährlich um 7,5 Prozent gewachsen ist, liegt die durchschnittliche Wachstumsrate in der Behindertenhilfe bei jährlich etwa 5 Prozent. Zum Vergleich: in der Pflege wird eine jährliche Zunahme des Marktvolumens von rund 6,2 Prozent verzeichnet.

    Ambulantisierung in allen Branchen

    Sozialmarktstudie 2020 - Zielgruppenorientierte Ausrichtung von Sektoren und Leistungen

    Die Betrachtung der aktuellen Entwicklungen in den Branchen des Sozialmarktes zeigt, dass einige Trends, die im Pflegemarkt zu beobachten sind, auch auf andere Bereiche übertragen werden können. Hierzu zählt insbesondere der Trend der Ambulantisierung, die in der Pflege eines der bestimmenden Themen ist und die anhand der Entwicklungszahlen der einzelnen Sektoren des Pflegemarktes deutlich wird. Besonders anschaulich wird die Entwicklung in der Behindertenhilfe. Die Auswertung der Leistungsempfänger von Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung als Teil der Behindertenhilfe, bis 2020. Seit 2013 stieg die Zahl der Leistungsempfänger von ambulanten Leistungen um über 26 Prozent, während die Zahl der Empfänger stationärer Leistungen im gleichen Zeitraum nur um etwa 5 Prozent stieg. Auch in der Kinder- und Jugendhilfe setzt sich dieser Trend fort, wenn auch nicht so deutlich. Während die Ausgaben für stationäre Angebote zwischen 2016 und 2018 leicht zurückgingen, stiegen die Ausgaben für ambulante und teilstationäre Angebote ohne Berücksichtigung von KiTas um 3,4 Prozent. Deutlich wird diese Entwicklung auch in der Reha-Branche. Während die Zahl stationärer Einrichtungen seit 2013 stetig sinkt, nimmt mit steigendem Marktvolumen auch das Segment der ambulanten Rehabilitation zu und macht aktuell einen Anteil von etwa 10 Prozent aus.

    Fragmentierte Märkte in allen Märkten des Sozialwesens

    Sozialmarktstudie 2020 - Entwicklung des Marktvolumens in Euro

    Die starke Fragmentierung des Marktes, die wir aus dem Pflegesektor kennen, setzt sich konsequent auch in den anderen Branchen des Sozialmarktes fort. Der Anteil gemeinnütziger und kommunaler Träger liegt in der Behinderten- sowie Kinder- und Jugendhilfe noch etwas höher als in der Pflege. Insbesondere die gemeinnützigen Komplexträger mit Angeboten in mehreren Branchen des Sozialmarktes beanspruchen einen erheblichen Teil des Marktvolumens. Doch auch im privatwirtschaftlichen Bereich sind Tendenzen erkennbar die Grenzen der Branchen zu überwinden. Beispiele hierfür finden sich auch bei den führenden Unternehmen in der Pflege, beispielsweise der Öffnung der ORPEA Gruppe in Richtung Reha durch den Erwerb der Celenus Kliniken oder der Eröffnung von Como-Einrichtungen durch die Korian Gruppe. Hier werden neben Pflegebedürftigen im eigentlichen Sinn auch Menschen mit psychischen Erkrankungen versorgt, deren Leistungen aus anderen Töpfen der Sozialhilfe finanziert werden. Nach den großen Wohlfahrtsverbänden und unabhängigen Komplexträgern wird der Markt schnell kleinteilig und regional. Innerhalb dieser regionalen Cluster ist im Bereich der unabhängigen Trägergesellschaften eine hohe Spezialisierung erkennbar. Dennoch zeichnen sich Tendenzen ab, dass Sektoren und Branchenabgrenzungen teilweise verwässern und Dienstleister in einem regionalen Cluster komplexe Angebote bereitstellen.