Vor einigen Tagen veröffentlichte unsere Redaktion die Liste der Top 40 unter 40 im Management der Pflege, welche Sie hier einsehen können. Im Zuge dessen hatten wir die Gelegenheit mit einigen der Nominierten Interviews über den aktuellen Stand des Pflegemarktes, ihre Herausforderungen und Pläne für die Zukunft sprechen zu können.

So auch mit Christina Kainz von lively. Wir haben mit der jungen Unternehmerin über die Ziele von lively, das bisherige Jahr und weitere Pläne gesprochen.


Wie bewerten Sie bisher das Jahr 2022 für Ihr Unternehmen?

Kainz: Das Jahr 2022 verläuft für uns, speziell als noch sehr junges Unternehmen, erfolgreich. Unser erstes Projekt läuft nach Plan – und das trotz vieler branchenbedingten Herausforderungen. Sei es die Zinslandschaft, die Baukosten, Materialpreise oder auch Lieferschwierigkeiten. Wir können uns sehr glücklich schätzen – und sind auch sehr dankbar dafür – dass dieses Projekt so reibungslos fortschreitet. Wir hatten im Mai den Spatenstich, im Sommer wird der Hochbau abgeschlossen und am 20. August haben wir unser erstes Informationsevent mit den Senioren direkt vor Ort. Die Wohnungen werden in diesem Zuge dann auch buchbar werden; bisher ist es also ein sehr erfolgreiches Jahr für uns.

Ein sehr aktuelles Thema allerorten ist die steigenden Baukosten, die Schwierigkeit von Materialbeschaffung und Co. in aller Munde – hat das bereits Einfluss auf Sie?

Kainz: Zum Teil – glücklicherweise haben wir den KfW-Zuschuss früh genug beantragt, sodass dieser bei dem Projekt noch gegriffen hat. Und wir hatten glücklicherweise bereits früh Material beschafft und eingelagert; nichtsdestotrotz man merkt durchaus die steigenden Kosten. Zunehmend liest man von Projektverzögerungen oder -stillständen, das ist natürlich der absolute Worstcase, der bei uns zum Glück nicht zutrifft. Insgesamt konnten wir die gröbsten Probleme umschiffen und viele Dinge betreffen uns nicht direkt, weil wir Mieter sind und der Großteil der Herausforderungen hierbei auf Vermieterseite liegt.

Gibt es bereits absehbare Meilensteine, die Sie für den Rest des Jahres vor Augen haben?

Kainz: Die Vermietung startet, wie bereits erwähnt, am 20. August. Wenn wir es schaffen, eine hohe Vorvermietungsquote einzufahren wäre das natürlich hervorragend für uns. Es wird so sein, dass hierbei noch nicht direkt die Mietverträge abgeschlossen werden, sondern Reservierungen, da die Objektübergabe und Eröffnung noch eine gewisse zeitliche Range hat. Das ist aktuell eines der großen Fokusthemen bei uns – und natürlich die Erarbeitung des zweiten Standortes.

Thema Personal – haben Sie hier bereits angefangen zu akquirieren, oder warten Sie auf die endgültigen Zahlen der Reservierungen, um den Bedarf besser abschätzen zu können?

Kainz: Wir haben einen sehr klaren Personalplan – großteils auch unabhängig davon wie viele Senioren mit Eröffnung bei uns wohnen. Unser Fokus liegt auf Gemeinschaft, Community und Workshops bei denen auch die Nachbarschaft willkommen ist,  daher benötigen wir alleine dafür einen festen Personalstamm. Unser Motto lautet „je mehr die Bude brummt, desto besser“. Geplant ist Anfang nächsten Jahres mit den Einstellungen zu beginnen.  

Was das Thema der pflegerischen Versorgung angeht, sind wir mit den lokalen Pflegedienstleistern stark im Austausch, da wir als lively selbst keine Pflegeleistungen erbringen. Dennoch können unsere Senioren natürlich selbst bestimmen welchen Pflegedienst sie wählen wollen. Davon abgesehen werden in der „Weißen Dame“, unserem ersten Projekt, ein Pflegeheim und eine Tagespflege integriert sein, bei denen wir starke Synergien sehen.

Haben die aktuellen politische Entscheidungen aus Berlin im Bereich der Pflege bereits spürbaren Einfluss auf Ihr Unternehmen?

Kainz: Da wir noch nicht im operativen Geschäft tätig sind, spüren wir es bislang nur auf unserem Excel-Sheet; aber wir spüren es. Was wir deutlich merken ist, dass wir immer wieder Bewerbungen von Pflegefachkräften für unseren Standort erhalten – auch wenn wir selbst die Pflege nicht anbieten werden. Aus unserer Sicht hat das damit zu tun, dass die Menschen, die diesen Beruf gewählt haben, Pflegebedürftige ordentlich unterstützen möchten, dies das System aufgrund des Leistungsdrucks aber nicht immer zulässt. Bei uns könnten die Mitarbeitenden weiterhin mit der gleichen Zielgruppe arbeiten, jedoch im Rahmen einer anderen Tätigkeit außerhalb der Pflege.

Wir möchten der ohnehin personalkritischen Pflegebranche keine Fachkräfte entziehen, darauf sind wir nicht angewiesen, jedoch zeigt dieses Phänomen ganz gut, dass unser System keine nachhaltigen Arbeitsbedingungen für die Menschen schafft. Dabei geht es primär nicht um die Vergütung.

Ansonsten merken wir aktuell natürlich auch vermehrt das Thema Zinsen und Baukosten – gerade bei den neuen Projektverhandlungen. Es herrscht eine große Unsicherheit am Markt und es gibt einen enormen Preisdruck, wobei meine persönliche Einschätzung ist, dass sich die Situation in 6-9 Monaten wieder normalisieren wird.

Bis wieder eine gewisse Planbarkeit gegeben sein wird, steht man ein wenig zwischen den Stühlen – auf der einen Seite wird eine hohe Einstandsmiete verlangt, auf der anderen Seite kann der Betreiber natürlich nicht das ganze Risiko alleine tragen. Auch wir müssen am hinteren Ende marktgängige Mieten anbieten. In dieser Phase befinden wir uns gerade, was auch bezeichnend ist und aufzeigt, dass wir uns aktuell in einer Transformation befinden. Wir haben schon immer mit Zinsen kalkuliert – und sind wohl auch ein bisschen verwöhnt aus den letzten 10 Jahren.

Ehrlich gesagt glaube ich, dass dies eine Entwicklung ist, die nicht nur nachteilig ist, um diese Überhitzung am Markt ein wenig abzukühlen.

Gibt es etwas, das Sie den anderen Top 40 unter 40 mit auf den Weg geben möchten?

Kainz: Die Pflege ist eine unglaublich großartige Branche. Und ich finde es toll, wie viele gerade junge Menschen auf den Markt kommen, um etwas zu verändern – wie zum Beispiel kenbi. Ich habe das Gefühl am Markt tut sich etwas, es wird etwas aufgerüttelt. Mitzubekommen wie neue Player die Branche betreten, die komplett befreit sind von den bisherigen Denkmustern und auch einfach naive Fragen in den Raum stellen, diese hinterfragen und darauf aufbauen, macht Freude und bringt Dinge in´s Rollen.

Wir haben eine riesige Aufgabe – eine demographische und qualitätstechnische. Wir brauchen neue Lösungen – daher: Weiter so an alle, lasst uns mehr Farbe in die Branche bringen!

Über den Interviewpartner

Christina Kainz Lively Top 40 Web

Christina Kainz ist Co-Founderin des neuen Senior Living Betreibers lively, der in der Assetklasse “Betreutes Wohnen” in Deutschland tätig ist und 2023 seinen ersten Standort eröffnet.
Nach Abschluss ihres Studiums an der Hotelschool Den Haag konzentrierte sich Christina Kainz auf die Bereiche “Finance” und “Development” und war für den Ausbau beider Abteilungen bei prizeotel, einer Economy-Hotelmarke der Radisson Hotel Group, verantwortlich. Zuletzt leitete sie die Projektentwicklung der Pipeline mit insgesamt 16 Hotels in mehreren Ländern.