Die erste Jahreshälfte 2023 war geprägt von vielen spannenden Übernahmen, die den Pflegemarkt beeinflussen. Während die Top Betreiber nur mit wenigen Übernahmen auffielen, zeigte sich gerade im Bereich der mittelständischen Betriebe eine zunehmende Konsolidierung Dennoch steht der Pflegemarkt weiterhin vor einigen Herausforderungen wie steigende Energie- und Sachkosten, allgemeine Preissteigerungen, steigende Mietpreise und Fachkräftemangel. Daraus resultierend gab es im ersten Halbjahr 2023 einige Insolvenzmeldungen und die Investoren zeigten sich vorsichtig. Große Übernahmen blieben, abgesehen von der Übernahme der Emvia Living GmbH, aufgrund der unsicheren Marktlage im ersten Halbjahr aus.

Inhaltsverzeichnis:

Transaktionsgeschehen im ersten Halbjahr

    Von Januar bis Juni 2023 gab es 60 betriebliche Übernahmen im Pflegemarkt – damit zeigt sich der Transaktionsmarkt deutlich stärker als im vorangegangenen Jahr, als insgesamt 46 Transaktionen gezählt wurden. Dabei prägten im Bereich der Betriebsübernahmen vor allem Übernahmen den Markt, die in Zusammenhang mit Insolvenzen von Betreibern stehen.

    Insgesamt wurden in betrieblichen Übernahmen 102 Pflegeheime mit mehr als 9.789 Betten übernommen, sowie 50 betreute Wohnanlagen mit rund 1.783 Wohneinheiten, 38 Tagespflegen mit rund 755 Plätzen, 47 Pflegedienste mit mehr als 4.406 Versorgungen, und 16 Wohngemeinschaften mit etwa 189 Plätzen.

    Strategische Käufer prägen den Markt

    Die Mehrheit der Übernahmen (85 Prozent) ist den strategischen Käufern zuzuordnen. Die größte Übernahme unter den strategischen Zukäufen ist der DRK Gesundheitsdienste Städteregion Aachen gGmbH mit insgesamt 887 übernommenen Einheiten zuzuordnen. Die DRK Gesundheitsdienste Städteregion Aachen gGmbH hat dabei unter anderem die Seniorenwohnsitz Ursula Lambertz KG mit einem Pflegedienst, der 263 Patienten versorgt, und einem Pflegeheim mit 38 Betten übernommen. Darüber hinaus fand im ersten Halbjahr 2023 die Übernahme der Vermögenswerte der insolventen Visitatis GmbH statt. Die Visitatis GmbH aus Aachen hat Ende Januar 2023 einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung gestellt. Mit der Übernahme der Visitatis GmbH vergrößerte sich das Portfolio der DRK Gesundheitsdienste Städteregion Aachen gGmbH um ein Pflegeheim mit 58 Plätzen, 4 Betreute Wohnen mit 290 Einheiten, 2 Tagespflegen mit 46 Plätzen und 1 Pflegedienst mit 192 Versorgungen.

    Die newcare Holding konnte sich durch die Übernahme einiger Einrichtungen der insolventen Convivo Gruppe um insgesamt 650 Versorgungen vergrößern. Insgesamt wurden 1 Pflegeheim, 7 Betreute Wohnen, 4 Tagespflegen und 5 Pflegedienste von der insolventen Convivo Gruppe übernommen.

    Insolvenzmeldungen beeinflussen den Pflegemarkt 

    Das erste Halbjahr 2023 war geprägt von zunehmenden Insolvenzmeldungen in der Pflege. Insgesamt 31,7 Prozent der betrieblichen Übernahmen im ersten Halbjahr stehen in Zusammenhang mit Insolvenzen. So wurden insgesamt 24 Pflegeheime, 23 Betreute Wohnen, 11 Tagespflegen, 11 Pflegedienste und 16 Wohngemeinschaften aus einer Insolvenz heraus übernommen.

    Neben kleinen Betreibern waren auch große Betreiber von Insolvenzen betroffen.

    Im Januar kündigte die Curata Care Holding GmbH eine umfassende Sanierung des Unternehmensverbundes an und hat daraus resultierend für einzelne Gesellschaften der Gruppe Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Im Juli wurde bekanntgegeben, dass Curata erfolgreich saniert werden konnte und 33 Einrichtungen von insgesamt 42 Einrichtungen aus dem Portfolio langfristig gesichert werden konnten.

    Ebenfalls im Januar wurde bekanntgegeben, dass die Convivo Gruppe einen Antrag auf Insolvenz gestellt hat. Convivo belegte dieses Jahr Platz 20 der Top 30 Pflegeheimbetreiber in Deutschland. Die einzelnen Standorte der Convivo Gruppe konnten bisher größtenteils an verschiedene Betreiber veräußert werden. Zu den Käufern der einzelnen Standorte zählen unter anderem die Alloheim Senioren-Residenzen SE, ArteCare GmbH & Co. KG, Careciano GmbH, Evangelische Stiftung Volmarstein, Pflegedienst Stadt und Land GmbH K. Corleis, Renafan und die newcare Holding GmbH.

    Im März wurde die Insolvenz der Hansa Pflege & Residenzen GmbH bekanntgegeben. Die Hansa-Gruppe befand sich bereits 2010 in der Insolvenz und wurde damals von der Azurit Rohr GmbH mit Sitz im rheinland-pfälzischen Eisenberg übernommen.

    Darüber hinaus wurde für die Novent Unternehmensgruppe im März ein Eigenverwaltungsverfahren eingeleitet. Erst im April 2022 hatte die damals neu gegründete Novent Holding GmbH von der Korian AG 16 Pflegeheime mit insgesamt 1.700 vollstationären Plätzen übernommen. Diese Übernahmen brachten die Novent Holding direkt auf Platz 30 des Rankings der 100 größten privaten Pflegeheimbetreiber.

    Im April beantragte die DOREAFAMILIE, die Rang 12 der Top 30 Pflegeheimbetreiber 2023 belegte, ein Schutzschirmverfahren. Als Gründe für die zunehmenden Insolvenzen werden der Mangel an Fachkräften und erhöhte Krankenstände, die wiederum zu niedrigen Belegungsraten führen genannt. Weitere Faktoren sind steigende Energie- und Sachkosten, allgemeine Preissteigerungen und steigende Mietpreise.

    Neue Betreiber kaufen zu 

    Neben den steigenden Insolvenzen sind auch neue Betreiber im Markt hervorgegangen. Der Pflegeheimbetreiber Auvictum wurde 2021 gegründet und zählt mittlerweile mehr als 857 Versorgungen in der vollstationären Pflege.  Geschäftsführer der Auvictum ist Alexander Bart, der zuvor in seinen Positionen als CFO bei Orpea, Geschäftsführer bei Charleston und zuletzt als Geschäftsführer bei der Argentum tätig war. Für das Jahr 2022 konnten insgesamt 4 Übernahmen durch die Auvictum Holding GmbH gezählt werden. Im ersten Halbjahr 2023 hat Auvictum zwei Übernahmen getätigt und dabei das Portfolio um 2 Pflegeheime mit 168 Plätzen und einen Pflegedienst erweitert.

    Immobilienübernahmen im ersten Halbjahr

    Im ersten Halbjahr fanden außerdem 20 Immobilienübernahmen statt. Besonders kauffreudig zeigten sich die IMMAC Verwaltungsgesellschaft, AIF Capital GmbH und die Specht Gruppe mit jeweils 3 Immobilienübernahmen. Insgesamt wurden durch Immobilienübernahmen 17 Pflegeheime, 7 Betreute Wohnen, 4 Tagespflegen, 1 Pflegedienst und 3 Wohngemeinschaften übernommen. Das entspricht 2.103 übernommenen Kapazitäten. Im direkten Vergleich wurden im ersten Halbjahr 2022 19 Immobilienübernahmen registriert. Es wurden insgesamt 16 Pflegeheime, 5 Betreute Wohnen, 3 Tagespflegen und 2 Wohngemeinschaften übernommen. Das entspricht 2.960 übernommenen Kapazitäten. Von 2022 auf 2023 ist damit ein Rückgang von ungefähr 29 Prozent an übernommenen Kapazitäten zu erkennen.

    Im Vergleich zum Vorjahr ist somit sowohl ein Rückgang an übernommenen Einrichtungen als auch an übernommenen Kapazitäten zu erkennen, der auf die aktuelle Marktlage und zunehmende Insolvenzen der Betreiber zurückgeführt werden kann.