Zunehmende Insolvenzen haben die Pflegelandschaft im ersten Quartal 2023 deutlich geprägt – auch große Namen sind durch das Tariftreuegesetz und inflationsbedingte Kostensteigerungen in Bedrängnis geraten. Gerade Meldungen über Neugründungen gehen zwischen all den beunruhigenden Nachrichten unter und die fragmentierte Marktstruktur erschwert es, sich ein vollständiges Bild von der aktuellen Marktsituation zu machen. In der folgenden Analyse fassen wir für Sie die Entwicklung des Pflegemarktes in den Bereichen Tagespflege, Pflegedienste und Pflegeheime zusammen und verhelfen Ihnen so zu einem klaren Blick auf die aktuelle Marktsituation.


Inhaltsverzeichnis:

 

 

Erklärung der Methodik zur Entwicklungs-Statistik

Zur Analyse der Entwicklung des Pflegemarktes im ersten Quartal werden die Veränderungen in der Pflegedatenbank ausgewertet, die monatlich auf Basis der offiziellen Daten der Krankenkassen aktualisiert wird. Erlischt die IK-Nummer eines Standortes, der bisher in unserer Pflegedatenbank geführt wurde, prüfen wir manuell, ob es sich um eine Schließung handelt. Wird hingegen eine IK-Nummer neu in unserem System erfasst, prüfen wir, ob es sich um eine Neugründung handelt. Für die folgende Betrachtung haben wir die Anzahl der Neugründungen und die Anzahl der Schließungen gegenübergestellt. Zusätzlich wird am Ende des Textes auch die Anzahl der Insolvenzanmeldungen bei den Amtsgerichten laut Handelsregister betrachtet.

Entwicklung der Pflegedienste im ersten Quartal 2023

Von Januar bis März 2023 wurden bundesweit insgesamt 97 Standorte ambulanter Pflegedienste geschlossen – im gleichen Zeitraum wurden 105 neue Pflegedienststandorte mit eigener IK-Nummer eröffnet. Daraus ergibt sich ein Nettozuwachs von 8 Standorten im ersten Quartal 2023.

Damit bleibt das nominale Wachstum der ambulanten Pflegedienste deutlich hinter dem Vorjahreszeitraum zurück. Im ersten Quartal 2022 wurden 142 neue Pflegedienststandorte eröffnet, während nur 78 ambulante Pflegedienste schließen mussten. Hier zeigen sich bereits deutliche Auswirkungen der aktuellen Marktsituation.

Die 97 geschlossenen Pflegedienste im ersten Quartal 2023 versorgten insgesamt rund 5.000 Patienten. Wie viele Patienten von den 105 neuen Pflegediensten versorgt werden, kann erst nach einer ersten Begutachtung durch den MDK ermittelt werden. Zum Vergleich: Die 78 geschlossenen Dienste im ersten Quartal 2022 versorgten rund 4.400 Patienten.

Der Rückgang der Zahl der neu eröffneten Pflegedienste deutet darauf hin, dass der Sektor weiterhin unter den Auswirkungen des Tariftreuegesetzes und den Folgen der COVID-19-Pandemie leidet. Der Rückgang der Zahl der neu eröffneten Pflegedienste könnte auch auf die anhaltenden Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von qualifiziertem Personal zurückzuführen sein. Viele Pflegedienste kämpfen mit einem Mangel an Fachkräften und haben Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen.

Entwicklung des Pflegemarkts Q1 2023 - Pflegedienste

Zudem ist das Wachstum der Pflegedienste im ersten Quartal 2023 je nach Bundesland sehr unterschiedlich. Das größte nominale und prozentuale Wachstum verzeichnet Nordrhein-Westfalen. Mit 15 Schließungen und 41 Neueröffnungen lag das prozentuale Wachstum der Pflegedienststandorte im bevölkerungsreichsten Bundesland bei 0,7 Prozent. Den größten prozentualen Rückgang musste Sachsen-Anhalt hinnehmen – bei zwei Neueröffnungen standen sechs Schließungen ein prozentualer Rückgang von 0,6 Prozent gegenüber.

Entwicklung der Pflegeheime im ersten Quartal 2023

Von Januar bis März 2023 wurden bundesweit insgesamt 12 Pflegeheime geschlossen – im gleichen Zeitraum wurden 25 neue Pflegeheime eröffnet. Dies ergibt einen Nettozuwachs von 13 Standorten im ersten Quartal 2023. Im Vorjahreszeitraum 2022 wurden 23 Pflegeheime neu eröffnet, während 32 geschlossen werden mussten – hier könnten die aktuellen Schutzschirm- und Insolvenzverfahren vieler Betreiber, die im ersten Quartal beantragt wurden, zu einer verzögerten Schließung von Heimen beitragen – oder zu deren Übernahme durch neue Betreiber und damit zu deren Weiterführung.

Die im ersten Quartal 2023 geschlossenen Pflegeheime stellten insgesamt 530 vollstationäre Pflegeplätze zur Verfügung (Q1 2022: 1.274 Pflegeplätze), während die neu eröffneten Pflegeheime im ersten Quartal 2023 insgesamt 1.728 neue Pflegeplätze zur Verfügung stellten (Q1 2022: 1.920 Pflegeplätze), so dass netto rund 1.200 vollstationäre Pflegeplätze mehr zur Verfügung standen als noch im Dezember 2022.

Die meisten Pflegeheime wurden im ersten Quartal 2023 in Baden-Württemberg eröffnet (11 Standorte), während drei Heimstandorte in Baden-Württemberg geschlossen wurden – dies führt zu einem prozentualen Wachstum der Pflegeheimstandorte von 0,5 Prozent. Nur im Saarland ist der prozentuale Zuwachs noch höher (1,2 Prozent), da dort zwei Einrichtungen eröffnet, aber keine geschlossen wurden.

Entwicklung des Pflegemarkts Q1 2023 - Pflegeheime

Insgesamt spiegelt der Nettozuwachs an Pflegeheimen im ersten Quartal 2023 die dynamische Entwicklung der Pflegebranche wider und zeigt, dass trotz der aktuellen Herausforderungen des Marktes weiterhin Investitionschancen bestehen, die genutzt werden können, um den Bedürfnissen der älteren Menschen in Deutschland gerecht zu werden.

Entwicklung der Tagespflege im ersten Quartal 2023

Die Tagespflege war bisher immer das wachstumsstärkste Pflegesegment. Dieser Trend setzt sich auch im ersten Quartal 2023 fort, wenn auch deutlich schwächer als in den Vorjahren: Insgesamt wurden im 1. Quartal 2023 4 Tagespflegeeinrichtungen geschlossen, während im gleichen Zeitraum 42 neue Einrichtungen eröffnet wurden, was einem Nettozuwachs von 38 Einrichtungen entspricht.

Damit wächst die Tagespflege zwar weiter, bleibt aber deutlich hinter der Entwicklung der Vorjahre zurück. Im 1. Quartal 2022 wurden noch 79 Tagespflegen eröffnet, während nur 10 Tagespflegen geschlossen wurden.

Hier zeigen sich, wie auch in den Bereichen Pflegeheime und Pflegedienste, deutliche Wachstumseinbrüche im deutschen Pflegemarkt, die zweifelsohne auf Themen wie das Tariftreuegesetz und allgemein gestiegene Energie- und Sachkosten zurückzuführen sind. Bereits im vergangenen Jahr 2022 hat sich das Wachstum in der Pflege in der zweiten Jahreshälfte – insbesondere im vierten Quartal – abgeschwächt, wie unsere Analyse zeigt.

Entwicklung des Pflegemarkts Q1 2023 - Tagespflegen

Eine Betrachtung des Wachstums auf Ebene der Bundesländer zeigt ähnliche Strukturen wie bereits im Bereich der Pflegeheime: Ein besonders starkes Wachstum verzeichnet Baden-Württemberg (13 Neueröffnungen bei zwei Schließungen). Auffällig ist, dass auch Bayern sowohl nominal als auch prozentual einen nennenswerten Zuwachs zu verzeichnen hat – mit zwölf neuen Tagespflegen gegenüber einer geschlossenen Tagespflege liegt der Zuwachs an Einrichtungen im südlichsten Bundesland bei 1,1 Prozent.

Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich der deutsche Pflegemarkt in den kommenden Quartalen entwickeln wird und welche Auswirkungen politische und wirtschaftliche Entwicklungen auf das Wachstum der Pflege haben werden. Die Tagespflege bleibt jedoch ein wichtiger Bestandteil des deutschen Pflegemarktes und wird auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen.

Übersicht über die Neugegründeten (blau) und geschlossenen (rot) Pflegestandorte der Sektoren Pflegedienste, Pflegeheime und Tagespflege im ersten Quartal 2023.
Übersicht über die Neugegründeten (blau) und geschlossenen (rot) Pflegestandorte der Sektoren Pflegedienste, Pflegeheime und Tagespflege im ersten Quartal 2023.