Ende April, Anfang Mai 2021 fand der Verkauf der CommitMed GmbH/proSenio statt (wir berichteten). Bislang gehörte CommitMed GmbH zu yabeo, welche als Growth-Investor die Entwicklung des Unternehmens begleitet haben. So konnte das Geschäftsmodell bisher sukzessive erweitert werden. Mit zahlreichen Produktshops, die teils über die Tochtergesellschaften Aktivwelt GmbH und Prosenio GmbH in Augsburg betrieben werden, wurde so der Handel mit Senioren- und Hilfsartikeln ausgebaut. Wir konnten mit Frau Saskia Becker von yabeo und dem Gründer und CEO von proSenio Christian Fleck ein Interview führen.

Inhaltsverzeichnis:

  • Vorstellung yabeo
  • Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Tech-Branche und dem Gesundheitsmarkt
  • Herausforderungen
  • Die Interviewpartner
  • Vorstellung yabeo

    pflegemarkt.com: Hallo Frau Becker, hallo Herr Fleck schön, dass Sie sich die Zeit nehmen. Wie würden Sie, für unsere eiligen Leser, Ihr Unternehmen yabeo in einem Satz zusammenfassen?

    Becker: In einem Satz? Das ist gar nicht mal so einfach *lacht*. Aber wenn ich es versuchen müsste: Wir sind ein Venture Capital Unternehmen, das in innovative, technologiegetriebene Start-Ups in den Bereichen Impact, HealthTech und FinTech in der Frühpase investiert und diese nachhaltig weiterentwickelt. Ganz schön kurz!

    pflegemarkt.com: Wirklich kurz und knapp beschrieben, Sie dürfen gerne noch einen Halbsatz anhängen!

    Becker: Dann würde ich noch sagen wollen, dass wir nicht nur reine Kapitalgeber sind, sondern im Leitgedanken des „Smart Capital“ auch mit Netzwerk und Wissen aktiv unterstützen!

    pflegemarkt.com: Vor kurzem haben wir über den Verkauf, der von yabeo gehaltenen Commitmed GmbH und proSenio berichtet. Frau Becker, Ihr Kollege Herr Sohler sagte damals, mit schülke übernehme nun der perfekte Partner für den nächsten Schritt. Können Sie, Herr Fleck, mir als Geschäftsführer der proSenio Einblick gewähren, wohin der Weg der „Pflegebox“ zukünftig führt?

    Fleck: Nun, erst einmal muss gesagt werden, dass schülke sich aufgrund seines großen Knowhows im Bereich der Pflege als perfekter Partner wirklich angeboten hat.

    Der Pflegemarkt ist im Bereich der Pflegebox tatsächlich noch immer eine grüne Wiese. – Etwa 3,5 Millionen Menschen in Deutschland hätten das Recht darauf eine Pflegebox zu beziehen, aber tatsächlich nutzen nur rund 15 Prozent davon diese Möglichkeit auch tatsächlich. Wir bemerken immer wieder, dass den meisten Pflegebedürftigen das Wissen über mögliche Dienstleistungen, die sie beziehen dürfen, einfach fehlt.

    Wir hoffen nun – und sind auch sehr zuversichtlich – mit schülke einen Partner gefunden zu haben, der uns die Möglichkeit gibt noch mehr Menschen zu erreichen, die unsere Box nutzen können. Das Erfüllende an unserer Arbeit ist ja, dass wir hier niemandem etwas aufschwatzen wollen, sondern Produkte vertreiben, die den Alltag der Betroffenen erleichtern, auf die sie ein Anrecht haben und die zudem Kassenleistungen sind.

    Becker: Wir konnten im Verkaufsprozess erkennen, dass schülke und proSenio sich nicht nur Zielkunden, sondern vor allem anderen auch Werte teilen. Dank dieser übereinstimmenden Ziele und Wertvorstellungen haben wir große Hoffnung auf eine gute, komplementäre, Strategie.

    pflegemarkt.com: Als Wachstumsfinanzierer ist yabeo in vielen Branchen aktiv. Ihr Portfolio setzt sich dabei hauptsächlich aus Tech-Start-Ups zusammen. Auf den ersten Blick wirkt da der Bereich „Health“ artfremd. Wieso investieren Sie auch in diesen Markt?

    Becker: Das wirkt wirklich nur auf den ersten Blick so. Wir haben einen Fonds, der beispielsweise in FinTech und InsureTech investiert und einen weiteren der in Umwelt und sozial relevante Themen investiert: Zu diesem Thema gehört natürlich auch der Pflegemarkt. Wir sind schon lange in diesem Segment unterwegs – in CommitMed haben wir beispielsweise bereits früh investiert. Somit durften wir einige der spannendsten Marktfelder direkt von Anfang an mitbegleiten. Der enorm wichtige Stellenwert des Gesundheitssektors wurde auch durch die COVID-19-Pandemie noch einmal deutlich. Wir haben in die Themen „Elderly Care“ und „Inklusion“ schon 2013 und 2014 angefangen zu investieren, da wir davon überzeugt sind, dass Digitalisierung dazu beitragen kann, dringende gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen.

    Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Tech-Branche und dem Gesundheitsmarkt

    pflegemarkt.com: Bleiben wir kurz bei dem Thema Health Market: Was ist Ihrer Meinung nach der größte Unterschied zwischen den „typischen“ Tech-Branchen und der Gesundheitsbranche?

    Becker: Tatsächlich eint uns – zumindest in unserem Bereich – mehr als uns trennt. Gerade dieser technologiegetriebene Teilaspekt des Marktes wird ja bereits im Begriff HealthTech deutlich. Wir als yabeo investieren in technologiebasierte Start-Ups. Natürlich gibt es sehr viele konservative Player, die man überzeugen muss; gerade in diesem Markt. Aber grundsätzlich besteht in allen Märkten die Notwendigkeit der Digitalisierung und Transformation. Aber Sie haben insofern recht, dass es gerade im Pflegemarkt natürlich die zunehmend älter werdende Bevölkerung ist, die man im ersten Moment vor Augen hat. Um deren Versorgung jedoch weiter auf einem sehr guten Niveau zu halten, müssen Innovationen entwickelt werden. Gerade Pflegedienste und Krankenhäuser sind noch nicht so weit digitalisiert wie sie vielleicht sein sollten. Als Start-up muss man in jedem Bereich den Mehrwert, den man anbieten kann, unter Beweis stellen. Grundsätzlich sind es neue Herausforderungen, die durch Technologie bewältigt werden können. Egal in welchem Marktsegment.

    Fleck: Ich schließe mich da Saskia Becker vollumfänglich an. Das Digitale steht bei unserer Arbeit im Vordergrund. Alles was wir tun gibt es natürlich auch im Offline-Bereich, aber wir versuchen es den Kunden einfacher und komfortabler zu machen. Wir wollen unseren Kunden einen breiten Marktzugang ermöglich, auch gerade jenen Kunden, die sonst keinen oder nur erschwerten Zugang hätten. Ich denke, der Vorteil von uns als proSenio Gruppe ist, dass wir im doch recht traditionellen Pflegemarkt viele Anwendungen vereinfachen und digitalisieren können.

    pflegemarkt.com: Die Unternehmen in Ihrem Portfolio kommen aus verschiedenen Teilen der Welt – was könnten deutsche Health-Unternehmen Ihrer Meinung nach von ihren ausländischen Kollegen lernen?

    Becker: Oftmals sind die ausländischen Kollegen uns hier in Deutschland in vielen Aspekten weit voraus – ein Blick über den großen Teich in die USA hilft. Unser Unternehmen Wellth in den USA unterstützt uns zum Beispiel mit ihrem Knowhow sehr. Man kann beobachten welche Trends es gerade gibt und welche Lösungen hierdurch entstanden sind. Dabei müssen jedoch stets die unterschiedlichen Gesetze und Regularien in den verschiedenen Ländern bedacht werden. Anhand von innovativen Lösungen kann, darf und soll man jedoch voneinander lernen. Unser Netzwerk ist gerade im Bereich der Expansion und Internationalisierung sehr wichtig.

    pflegemarkt.com: Wo sehen Sie aktuell weitere Chancen zur Digitalisierung in der Pflege?

    Fleck:  Der ganze Gesundheitsbereich geht mit großen Schritten in Richtung Digitalisierung. Dies lässt sich gut bei Entwicklungen wie dem E-Rezept oder weiteren digitalen Dienstleistungen erkennen. Auch wir wollen im Produktbereich noch mehr digital anbieten –eine online oder telefonisch durchgeführte Pflegeberatung beispielsweise, womöglich auch digitale Abrechnungsmöglichkeiten für Pflegedienste, um nur mal zwei Aspekte zu nennen.

    Wir durchkämmen den Pflegebereich jeden Tag aufs Neue, auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, die bislang noch nicht digital abgebildet wurden.
    Wir möchten einer möglichst breiten Gruppe an Betroffenen ermöglichen an den Produkten, auf die sie ein Anrecht haben, zu partizipieren. Wir wollen den Kunden aufklären, ihm Informationen bereitstellen. Hier unterscheiden wir uns nach unserem Verständnis von vielen anderen Mitbewerbern. Wir stellen ein möglichst breites Portfolio zur Verfügung – von Pflegehilfsmitteln wie Verbänden, Rollatoren bis hin zu Treppenliften oder eben der zuvor angesprochene Beratung. Wir verstehen uns als „Helping Angel“. Von dem man sich, wenn es dann zum Pflegefall kommt, beraten lassen kann – und der dann auch vor allen Dingen schnell und unproblematisch die nötigen Hilfsmittel und Materialien zur Verfügung stellt. Wir haben über 16.000 Artikel im Sortiment – vom Seniorenhandy bis zum Badewannenlift. Neben pflegebox ist auch das Thema Inkontinenz sehr groß. Das ist für die Betroffenen verständlicherweise ein sehr sensibles Thema. Nicht jeder möchte gerne in die Apotheke um die Ecke gehen, wo einen jeder kennt und dort Inkontinenzprodukte oder Windeln für Erwachsene kaufen. Das sind dann auch noch große und schwere Pakete, die erst nach Hause geschleppt werden müssten. Unser Service garantiert hier also nicht nur eine gewisse gewollte Anonymität, sondern erspart den Senioren auch körperliche Anstrengungen.

    Herausforderungen

    pflegemarkt.com: Die spannendste Frage kommt immer zum Schluss – was war bisher ihre größte Herausforderung, die Sie bereits meistern konnten?

    Fleck: Man hatte viele Herausforderungen auf dem Weg. Aber eine der größten Herausforderungen war immer die Frage: Wie erreiche ich den gesamten Markt? Es mangelt nicht an potenziellen Betroffenen. Im Gegenteil, es werden eher mehr. Es ist jedoch immer schwierig herauszufinden, wie man diese kontaktieren kann. Wir haben starke Partnerschaften mit über 3.000 Pflegediensten, um gerade diese breite Gruppe an Betroffenen kontaktieren zu können. Aber die Herausforderung bleibt und muss jeden Tag aufs Neue bewältigt werden.

    Becker: Ich schließe mich da Christian Fleck an. Gerade die Gewinnung der Pflegedienste für unsere Sache ist immer eine Herausforderung. Die dortigen Mitarbeiter sind verständlicherweise immer sehr beschäftigt und man muss den richtigen Hebel finden, die richtige Ansprache wählen und sich auf Augenhöhe begegnen. Auch der Zusammenschluss von CommitMed und ProSenio war damals eine große Aufgabe für alle Beteiligten. Gerade zwei Unternehmen an unterschiedlichen Standorten homogen zusammen zu führen. Wir möchten uns nicht selbst loben, aber im Nachhinein müssen wir feststellen, das ist uns sehr gut gelungen!


    Die Interviewpartner

    Saskia Becker ist seit Dezember 2017 Teil des yabeo Teams. Als Vorstand der yabeo Impact AG ist sie sowohl für das aktuelle Portfolio als auch für die Suche nach neuen, spannenden Deals mit sozialer und ökologischer Wirkung verantwortlich. Bevor sie zu yabeo kam, hat sie für mehrere Startups gearbeitet und selbst eines gegründet. Als ehemalige Director of Finance & Product Portfolio bei MIFLORA weiß Becker genau, was Investoren von ihren Startups hinsichtlich Buchhaltung und Controlling erwarten. Becker hat in Mannheim, Lugano und Sydney studiert.

    Christian Fleck ist Gründer und Geschäftsführer der proSenio GmbH,
    die es sich zur Mission gemacht haben hilfs- und pflegebedürftige Menschen bestmöglich zu informieren und mit Hilfsmitteln zu versorgen, um das Leben im Alter zu erleichtern.

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