14.10.2024 – Exklusives Interview mit Tom Rietz und Dr. Steffen Hehner

In einem exklusiven Interview konnte die Redaktion von pflegemarkt.com mit Steffen Hehner und Tom Rietz von Alloheim über die Übernahme der Katharinenhof-Gruppe sowie der Entwicklung des Marktes sprechen.

Dr. Steffen Hehner CEO Alloheim

Dr. Steffen Hehner

CEO der Alloheim Gruppe

Durch die Übernahme stärkt Alloheim seine Position als größter Pflegeheimbetreiber, hat mit einem Marktanteil von insgesamt 3 Prozent aber einen deutlich niedrigeren Anteil als Marktführer in anderen Branchen. Allerdings steigt mit der Katharinenhof Gruppe der Marktanteil in Berlin und Sachsen auf über 5 Prozent – unter den privaten sogar auf über 11 Prozent – Ist die starke Marktpositionierung regional zu stark?

Hehner: Nein, es ist genau umgekehrt. Eine etwas stärkere Positionierung in lokalen bzw. regionalen Märkten bietet viele Vorteile – sowohl für die Bewohner als auch für die Mitarbeiter. Wir können so schneller und einfacher auf kurzfristige Situationen reagieren und untereinander aushelfen, egal in welcher Hinsicht. So entstehen Patenschaften, Freundschaften und lokale Netzwerke zwischen den Einrichtungen. Zudem können wir unseren Mitarbeitern noch besser Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Karrierechancen anbieten, ohne dass sie dafür das Unternehmen wechseln oder in eine andere Stadt ziehen müssen. Die Betreuung der jeweiligen regionalen Cluster kann durch die jeweiligen Regionalleiter in Ihren Tätigkeiten ebenfalls einfacher und schneller durchgeführt werden, so dass die Standorte eine nochmal bessere Unterstützung erhalten. All das führt zu einer höheren Mitarbeiterstabilität und Zufriedenheit, die den Bewohner und Angehörigen die bestmögliche Pflege ermöglicht.

Zudem sind wir mit 5-10% lokalem Marktanteil weiterhin noch weit weg von einer signifikanten Präsenz. Der jeweilige lokale Wettbewerb ist sehr groß, so dass unsere Einrichtungen hier nur einen kleinen Teil des örtlichen Versorgungsangebotes beitragen.

Stehen die Einrichtungen der Katharinenhof Gruppe in Sachsen und Berlin nicht auch stark im Wettbewerb zu bestehenden Alloheim Einrichtungen?

Hehner: Hier gibt es keine Konkurrenzsituation. Es ist wie beschrieben sehr von Vorteil, wenn es lokale kurze Wege gibt. Das heißt jedoch keinesfalls, dass die Einrichtungen hier um Bewohner oder Mitarbeiter im direkten Wettbewerb stehen. Mit dem Katharinenhof kommt eine exzellente Gruppe in die Alloheim Familie, die wir seit vielen Jahren als hervorragend aufgestelltes und geführtes Unternehmen wahrnehmen. Wir freuen uns auf die neuen Kollegen und darauf Dinge voneinander lernen zu können und gemeinsam weitere Ziele zu erreichen.

Die Katharinenhof-Gruppe hat bereits eine etablierte Marke entwickelt, die anderen Berichten zufolge weiterhin bestehen bleiben soll. Wie entscheidet sich, welche Marken bestehen bleiben?

Hehner: Bei Übernahmen stellen wir uns immer eine Frage: Wie identifikationsstark ist die Marke gegenüber den Mitarbeitenden, Bewerbern sowie Angehörigen und Bewohnern? Wenn die Marke eine besondere Strahlkraft hat, bleibt sie in der Alloheim-Gruppe erhalten. Wir verfolgen eine klare Mehrmarkenstrategie. So können wir flexibel auf die regionalen Besonderheiten Rücksicht nehmen. Beim Katharinenhof haben wir keine drei Sekunden drüber nachgedacht. Sie bleibt!

Zur Katharinenhof-Gruppe zählen auch Angebote im Bereich Betreutes Wohnen und der ambulanten Pflege. Werden diese Bereiche für Alloheim künftig an Bedeutung gewinnen?

Hehner: Wir bieten schon immer einen Mix an stationären Pflegeplätzen sowie Betreutem Wohnen. An rund 100 unserer Standorte bieten wir insgesamt bereits rund 3.000 Wohnungen für Betreutes Wohnen an. Das Segment hatte also auch zuvor bereits einen hohen Stellenwert für uns. Mit dem Katharinenhof kommen jetzt nochmal rund 700 Wohnungen hinzu, womit wir unser Angebot zunehmend in Richtung 4.000 Wohnungen entwickeln. Die Nachfrage nach dieser Versorgungsform nimmt stetig zu und wir tragen hier gerne zu einer entsprechenden Versorgung bei.

Wir arbeiten immer daran, unser Angebot weiter zu differenzieren. Dazu gehört z.B. der Ausbau der Pflegeangebote für jüngere Menschen (Junge Pflege) sowie im psychiatrischen Bereich. Daneben ist es für uns wichtig ist, die Versorgung in unseren Einrichtungen immer weiterzuentwickeln, zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit Ärzten oder Physiotherapeuten vor Ort. Hier arbeiten wir an strategischen Partnerschaften und Netzwerken, um die Versorgung integriert anzubieten – gerade in unseren lokalen bzw. regionalen Clustern mit mehreren Einrichtungen

Bisher wurden dieses Jahr überwiegend Übernahmen einzelner Standorte im Pflegemarkt registriert, größere Deals blieben in den letzten beiden Jahren nahezu komplett aus. Mit der Übernahme der Katharinenhof-Gruppe hat Alloheim insgesamt 27 Standorte übernommen und markiert damit die größte Übernahme in diesem Jahr. Was bedeutet dieser Deal für den Markt?

Hehner: Wir glauben und hoffen, dass es ein positives Signal in den Markt ist. Gerade wir Betreiber haben in den letzten vier Jahren der Corona und Post-Corona Zeit sehr viel einstecken und durchleben müssen, emotional wie wirtschaftlich. Da ist es ganz normal dass die größeren Transaktionen ausblieben. Zunächst waren sie gar nicht möglich, danach fehlte es an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir freuen uns den Blick jetzt wieder nach vorne richten zu können und mit der Übernahme des Katharinenhofs auch einen Teil dazu beitragen zu können, dass Marktbegleiter und Investoren dem Markt erhalten bleiben und weiterhin ihre Versorgungsverantwortung wahrnehmen. Wir brauchen jeden einzelnen im Markt aktiven Spieler, egal ob auf der Betreiberseite oder der Immobilieninvestorenseite. Nur so können wir Angebote aufrechterhalten und neue Angebote schaffen, die in den kommenden 10-20 Jahren dringend benötigt werden, die immer größer werdende Nachfrage auch nur ansatzweise bedienen zu können.

Tom Rietz Alloheim

Tom Rietz

Vorstand Strategie & M&A der Alloheim-Gruppe

Der Gesamterlös des Deals wurde für Vonovia / Deutsche Wohnen mit 300 Mio. Euro beziffert. Ist die Übernahme des Betriebs darin bereits inkludiert und wie hoch ist der Anteil der Betriebsübernahme an dem Gesamtvolumen? Alternativ: Welcher Faktor wurde für die Bewertung angesetzt und ist dieser vergleichbar mit den gezahlten Faktoren vor der Branchenkrise?

Rietz: Ja, die Übernahme des Betriebs ist in dem genannten Kaufpreis enthalten, macht darin aber einen sehr kleinen Teil aus.

Wird sich aus Ihrer Sicht die Konsolidierung in der Branche nach diesem Deal wieder beschleunigen und welche Erwartungen können wir an die Entwicklung der Alloheim Gruppe stellen? Sind für das letzte Quartal 2024 oder auch für das Jahr 2025 bereits weitere Übernahmen geplant?

Rietz: Wir glauben nicht, dass sich dadurch die Konsolidierung früherer Jahre wiederholen oder sogar beschleunigen wird. Wir wissen auch nicht, welche Pläne und Möglichkeiten andere Betreiber im Markt nach der Coronazeit aktuell haben. Wir haben für uns den Blick wieder nach vorne gerichtet, bleiben aber – so wie wir es immer gehalten haben – sehr selektiv und strategisch bei möglichen Übernahmemöglichkeiten. Wir haben erstmal keine weiteren Übernahmen geplant, beobachten aber gespannt die weitere Entwicklung des Marktes.

Zum Portfolio von Vonovia / Deutsche Wohnen zählt mit der Pflegen & Wohnen Hamburg ein weiterer Pflegedienstleister mit stationären Pflegeeinrichtungen. Nach unserem Kenntnisstand will sich Vonovia komplett aus der Branche zurückziehen – hat sich Alloheim bewusst gegen eine Übernahme beider Gruppen entschieden?

Rietz: Nein, die Vereinbarung war primär eine Immobilientransaktion zwischen der Vonovia und dem Käufer der Immobilien, Civitas. Wir haben hier lediglich das passende Puzzleteil auf der Betreiberseite beigetragen. In der Vereinbarung ging es ausschließlich um den Katharinenhof.

Welche Kriterien stellen Sie für Betriebsübernahmen in den Fokus? Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen mitbringen?

Rietz: Ein Unternehmen muss zu uns und in die Alloheim Familie passen. Das bedeutet dass es eine attraktive und moderne Einrichtung sein muss, in der sich die Bewohner und die Mitarbeiter zu Hause fühlen. Zudem sollte die Einrichtung nachhaltig wettbewerbsfähig sein, eine gute Betriebsgröße haben und vornehmlich Einzelzimmer aufweisen um den aktuellen und zukünftigen Regularien sowie den Bedürfnissen unser Bewohner zu entsprechen.

Die Immobilien der Katharinenhof Gruppe wurden im Zuge der Transaktion an einen Immobilieninvestor veräußert und auch in der Vergangenheit hat Alloheim in der Regel den Betrieb, nicht aber die Immobilien übernommen. Hat Alloheim eigene Immobilien im Portfolio und welche Gründe sprechen gegen eigene Bestandsimmobilien?

Rietz: Nur bei drei unserer Standorte gehören uns auch die dazugehörigen Immobilien. Dies hat historisch gewachsene Gründe und zudem sind diese Immobilien geförderte Einrichtungen. Grundsätzlich spricht nichts gegen einen eigenen Immobilienbesitz, wobei es auch Vorteile hat eine bewusste Trennung von Betrieb und Immobilie zu haben, bei der die Instandhaltungsverantwortungen, gerade bei kostenintensiven Maßnahmen wie z.B. dem Dach, in der Sphäre des Immobilieneigentümers liegen. Zudem bindet ein Immobilienbesitz sehr viel Kapital, dessen Einsatz wir für uns als sinnvoller in der Weiterentwicklung unseres Betriebs erachten.

04.10.2024- Alloheim übernimmt Katharinenhof-Gruppe

Die Alloheim-Gruppe gibt die Übernahme der Katharinenhof-Gruppe bekannt und stärkt somit die Marktführerschaft in der stationären Pflege in Deutschland. Die Übernahme umfasst insgesamt 24 Pflegeheime mit 2.485 Plätzen, 8 Einrichtungen für Betreutes Wohnen mit 815 Wohneinheiten, 7 Ambulante Pflegedienste mit aktuell 492 Versorgungen sowie 6 Tagespflegeeinrichtungen mit 46 Plätzen. Die Pflegeangebote befinden sich an insgesamt 27 Standorten, vorwiegend in Berlin, Brandenburg und Sachsen, aber auch in Hamburg (3 Standorte), Niedersachsen und Thüringen betreibt die Katharinenhof-Gruppe Pflegeeinrichtungen. Die Übernahme des operativen Geschäfts erfolgt voraussichtlich zum 01. Januar 2025, die Zustimmung der Kartellbehörde steht noch aus.

Die dazugehörigen Immobilien erwirbt der Civitas European Social Infrastructure Fund verwaltet von Civitas Investment Management Limited.

Die Marke der Katharinenhof Gruppe soll bestehen bleiben und neben Pro Talis, der CMS-Gruppe sowie den Itertalklinik Seniorenresidenzen die Markenvielfalt der Alloheim Gruppe ergänzen.

Verkäufer der Katharinenhof-Gruppe ist die Deutsche Wohnen SE, Tochterunternehmen vom Wohnungsbaukonzern Vonovia. Neben der Katharinenhof-Gruppe befindet sich auch die Pflegen & Wohnen Gruppe mit Sitz in Hamburg im Portfolio der Deutsche Wohnen, die in Hamburg 13 stationäre Pflegeeinrichtungen mit insgesamt rund 2.500 Plätzen betreibt.

Alloheim übernimmt Katharinenhof-Gruppe

Über die Alloheim-Gruppe

Die Alloheim-Gruppe ist der größte Anbieter stationärer und ambulanter Pflegedienstleistungen in Deutschland. Im Jahr 1973 als Familienunternehmen gestartet, ist die Alloheim-Gruppe inzwischen auf bundesweit 258 Senioren-Residenzen, 94 Standorte im Betreuten Wohnen und 25 ambulante Pflegedienste gewachsen. Durch die Übernahme des Katharinenhofs wird die Zahl der Senioren-Residenzen auf 284 anwachsen. Insgesamt beschäftigt die Alloheim-Gruppe bundesweit rund 23.000 Mitarbeitende und verfügt über mehr als 28.000 Betten.

Alloheim Marktanteil stationäre Pflege

Betrachtet man den Anteil der stationären Pflegeheimplätze von Alloheim am gesamtem stationären Markt, so fallen regionale Unterschiede auf. Während der Anteil von Alloheim insgesamt bei 3,1 Prozent liegt, weist Alloheim in den Bundesländern Schleswig-Holstein (7,6 Prozent), Berlin (5,3 Prozent) und Hessen (4,9 Prozent) einen deutlich höheren Marktanteil auf.

Wird der Markt nur auf die privaten Pflegeheimplätze untersucht, so zeigt Alloheim insgesamt einen Marktanteil von 7,7 Prozent. Auffällig sind vor allem die Marktanteile in Nordrhein-Westfalen (14,7 Prozent), Sachsen (11,3 Prozent) und Schleswig-Holstein (11,1, Prozent).  Den geringsten Marktanteil zeigt Alloheim in den Bundesländern Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern.