Marktanalyse Intensivpflege und Intensiv-WG
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
In einem sehr dynamischen Pflegemarkt verzeichnet das Teilsegment der ambulanten Intensivpflege ein besonders starkes Wachstum. Die ambulante Intensivpflege beinhaltet die Versorgung schwerstpflegebedürftiger Patienten (auch technologieabhängige Patienten genannt), deren Pflege und Betreuung außerhalb des klinischen Umfelds, und wird vorwiegend von spezialisierten Pflegediensten mit Fokus auf die außerklinische Intensivpflege angeboten und durchgeführt. Neben der häuslichen Intensivpflege in Form einer 1:1 Betreuung steigt die Zahl von sogenannte Intensiv-WGs und Beatmungs-WGs stetig an. Für die Patienten bieten beide Formen der Intensivpflege den Vorteil, dass sie anders als vor wenigen Jahren nicht auf eine dauerhafte Versorgung in einer Klinik angewiesen sind. Die Versorgung in Intensiv-WG`s birgt ökonomische und prozessuale Vorteile, die diese Form der Versorgung stark wachsen lässt. Durch den Personalengpass in der Pflege lässt sich die 1:1 Versorgung in der Häuslichkeit immer schwerer realisieren. Die Personalausstattung pro Patient ist in der Wohngruppe niedriger als in der 1:1 Versorgung und hängt von der Größe der Wohngruppe ab. Ab einer Belegung von mindestens vier Patienten ist die permanente Anwesenheit von mindestens zwei Fachkräften ein Vorteil für Patient und Pflegefachkraft.
Mehr als 1.400 Pflegedienste bieten Leistungen auf dem Gebiet der außerklinischen Intensivpflege an, schätzungsweise über 1.000 Unternehmen haben sich ausschließlich auf diesen Bereich spezialisiert.
Marktentwicklung der außerklinischen Intensiv- und Beatmungspflege
In dem Segment der außerklinischen Intensivpflege ist ein überproportionales Wachstum zu beobachten. Während die Zahl ambulanter Pflegedienste im Zeitraum von Januar 2014 bis Dezember 2016 um 16,5 Prozent auf 14.700 gestiegen ist, nahm die Zahl der Intensivpflegedienste im gleichen Zeitraum um fast 25 Prozent zu. Die Zahl ambulanter Intensivpflegedienste liegt derzeit bei über 1.400 Unternehmen.
Anbieter von außerklinischer Intensivpflege setzen zunehmend auf die Konzentration mehrerer Patienten in sogenannten Intensiv- oder Beatmungs-WGs. Anders als bei den Pflegediensten selbst, die über das IK (Institutionskennzeichen) eindeutig zu identifizieren sind, sind Informationen zu den Wohngruppen, schwer zu ermitteln. Aktuell ist von mehr als 950 Intensiv- und Beatmungs-Wohngruppen auszugehen, die ambulant durch Intensivpflegedienste versorgt werden. Die Größe der Wohngemeinschaften variiert zwischen vier und bis zu 14 Plätzen, die angeboten werden. Im Schnitt stehen in den Intensiv-WGs etwa sechs Plätze zur Verfügung. Somit beträgt die Zahl der Plätze in ambulant versorgten Beatmungs- und Intensivwohngruppen derzeit etwa 5.700.
Hinzu kommen sogenannte Beatmungszentren und Weaningeinrichtungen, die als stationäre Einheiten zu betrachten sind. Etwa 250 solcher Einrichtungen gibt es derzeit bundesweit.
Die größten Anbieter außerklinischer Intensivpflege in Wohngruppen
Zu den größten Unternehmen im Segment der außerklinischen Intensivpflege zählen die Herforder Bonitas Holding, die Deutsche Fachpflege Gruppe (DFG) und opseo (ehemals Deutsche Intensivpflege Holding (DIH)). Nach der Übernahme von Bonitas und DFG durch Advent International bilden die beiden Unternehmen den größten Verbund für außerklinische Intensivpflege in Deutschland.
Insgesamt gibt es aktuell etwas mehr als 300 Unternehmen im Segment der außerklinischen Intensivpflege mit mindestens einer Wohngruppe, rund 70 Intensivpflegedienste betreiben mindestens drei WGs.
Kinderintensivpflege als Spezialisierung in der Beatmungspflege
Einen Schwerpunkt innerhalb des Segments der außerklinischen Intensivpflege bildet die Spezialisierung auf die Pflege von Kindern und Jugendlichen. Etwa zehn Prozent der Intensivpflegedienste setzen ihren Fokus in der Kinderintensivpflege.
Überblick von Intensiv-WGs in den Bundesländern
Wird die Verteilung der intensiv-betreuten Wohngemeinschaften innerhalb Deutschlands betrachtet, zeigt sich, dass fast 50 Prozent der Wohngemeinschaften in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Bayern zu finden sind. Bayern verfügt aktuell über rund 1.000 Plätze in Intensiv-Wohngruppen, in Nordrhein-Westfalen beträgt die Zahl aktuell ebenfalls rund 1.000 Plätze. Auffällig hingegen ist die Auswertung der Anzahl der WGs pro Kopf. Im drittgrößten Bundesland Baden-Württemberg stehen aktuell pro 100.000 Einwohner gerade einmal vier WG-Plätze zur Verfügung. Zu erklären ist diese Tatsache damit, dass erst Mitte 2014 mit der Verabschiedung des WTPG (Wohn-, Teilhabe und Pflegegesetz) der rechtliche Rahmen für die Eröffnung von ambulant versorgten Wohngemeinschaften geschaffen wurde. Dennoch zeigt Baden-Württemberg einen Anstieg – in der Analyse von zwei Jahren zählte das Bundesland noch weniger als drei WG-Plätze pro 100.000 Einwohner. Im Bundesdurchschnitt stehen derzeit pro 100.000 Einwohner circa sechs Plätze in Intensiv-WGs zur Verfügung. Insbesondere die Dichte intensiv betreuter Wohngruppen in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg fällt ins Auge. Gemessen an der Bevölkerungszahl gibt es in Mecklenburg-Vorpommern derzeit 20 Plätze in Intensiv- und Beatmungswohngruppen (2017: 17 Plätze) – der höchste Wert im Ländervergleich. In diesen Bundesländern gibt es bereits seit 2010 eine gesetzliche Regelung für Wohngruppenkonzepte.
Fazit
Das Marktsegment der außerklinischen Intensivpflege avanciert zu einer festen Größe im Pflegemarkt und entwickelt sich rasant weiter. Die größten Unternehmen im ambulanten Pflegemarkt setzen ihren Fokus in der Intensivpflege und expandieren massiv mit immer moderneren Wohngruppenkonzepten. Die Entwicklung wird maßgeblich durch die jeweilige Landespolitik beeinflusst, die den Bereich der ambulant betreuten Intensiv-WGs gestaltet. Zwar sehen die Rahmenbedingungen mittlerweile bundesweit Regelungen für ambulante Wohnkonzepte vor, der Bereich der Intensiv- und Kinderintensivpflege enthält bislang in nahezu keinem Bundesland gesetzlich definierte Anforderungen.
Definitionen
Intensivpflege
Die außerklinische Intensivpflege umfasst pflegerische Maßnahmen für die Versorgung schwerstpflegebedürftiger Patienten. Hierzu zählt insbesondere auch die Beatmungspflege und Heimbeatmung. Klassische Krankheitsbilder sind:
• chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD
• Amyotrophe Lateralsklerose ALS
• Multiple Sklerose MS
• Koma / Wachkoma
• Muskeldystrophie/Muskelatrophie
Durchgeführt wird Intensivpflege in der Regel in der sogenannten 1:1 Betreuung oder 24 Stunden Pflege in der häuslichen Umgebung der Patienten. Für die Betreuung eines Patienten in der häuslichen Intensivpflege sind im Schnitt 4,5 Pflegekräfte notwendig. Die Kosten für die Behandlungspflege (SGB V), auf die in der Intensivpflege der Hauptteil der Pflege entfällt, werden von der Krankenkasse übernommen.
Beatmungs-WG und Intensivwohngruppen
In einer Beatmungs-WG bzw. Intensivwohngruppe werden mehrere Patienten, die auf Beatmungspflege angewiesen sind, untergebracht und versorgt. Die Versorgung wird durch speziell geschultes Personal eines ambulanten Intensivpflegedienstes durchgeführt. Die Größe der Intensiv-WGs schwankt zwischen 3 und 14 Plätzen, wobei die durchschnittliche Größe einer Intensiv-WG bei circa 6 Patienten liegt. In Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern die Anzahl der Plätze auf 12, in Hamburg auf 10 Plätze begrenzt. Die Zimmergrößen liegen circa bei 25m2 bis 30m²bei einer Gesamtfläche von 200 – 350 m2 für die gesamt Wohngruppe inklusive der Nutzräume, wie Flure, Sanitärbereiche, Küche und Abstellflächen, variiert aber je nach landesspezifischer Gesetzgebung. Der gesamte Wohnraum ist selbstverständlich barrierefrei. Da es sich um ein Mietverhältnis handelt, schließen die Patienten/Angehörigen einen Mietvertrag mit dem Eigentümer der Intensiv-WG ab und zusätzlich einen Vertrag für die pflegerische Versorgung.
Quellen
• WohnWTPG (Wohn-, Teilhabe und Pflegegesetz) Baden-Württemberg (31.05.2014)
• Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) Bayern (01.08.2008)
• Wohnteilhabegesetz (WTG) Berlin (01.07.2010)
• Wohn- und Betreuungsqualitätsgeset (HmbWBG) Hamburg (01.01.2010)
• Einrichtungsqualitätsgesetz (EQG M-V) Mecklenburg-Vorpommern (29.05.2010)
• „Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen“ (NuWG) Niedersachsen (14.04.2016)
• Wohn-und Teilhabegesetz Nordrhein-Westfalen (01.10.2014)
• Wohn- und Teilhabegesetz – WTG LSA Sachsen-Anhalt (26.02.2011)
• Pflegedatenbank (pm pflegemarkt.com GmbH/ 26.08.2018)
• Daten aus dem Gemeindeverzeichnis, Gebietsstand: 31.12.2015, Statistisches Bundesamt (Destatis), 2017
Bauradar Wohngruppen
- aktuelle Bauprojekte und Bauvorhaben im Excel-Format
- Neue Adressen & DSGVO konforme Kontaktdaten
- Buchen Sie hier das Bauradar für Wohngruppen
- Mit erweiterter Aufbereitung möglich
Sehr geehrter Herr Meißner,
ich bin gerade auf Ihren interessanten Artikel:
https://www.pflegemarkt.com/2016/08/30/wohngemeinschaften-mit-intensivpflege-angebotsverteilung-in-deutschland/
… aufmerksam geworden. Ich versuche gerade für eine wissenschaftliche Arbeit heraus zu finden, wie sich der Bedarf für die außerklinische Intensivpflege aktuell und in Zukunft entwickelt. Ihrer Grafik „Anz. der Intensivpflegedienste“ ist zu entnehmen, dass diese weiter steigen.
„Anders als die Pflegedienste selbst, die über das IK (Institutionskennzeichen) eindeutig zu identifizieren sind, sind Informationen zu den Wohngruppen, schwer zu ermitteln. Aktuell ist von etwa 780 Intensiv- und Beatmungs-Wohngruppen auszugehen, die ambulant durch Intensivpflegedienste versorgt werden. Die Größe der Wohngemeinschaften variiert zwischen vier und bis zu 14 Plätzen, die angeboten werden. Im Schnitt stehen in den Intensiv-WGs etwa sechs Plätze zur Verfügung. Somit beträgt die Zahl der Plätze in ambulant versorgten Beatmungs- und Intensivwohngruppen derzeit etwa 5.000 Plätze“.
Können Sie mir vielleicht einen Tip geben wie sich der Bedarf der außerklinischen Intensivpflege ableiten lässt (wie könnte man dies berechenen), bzw. wo komme ich an die relevanten Daten?
Für Ihre Bemühungen bedanke ich mich im Voraus und freue mich von Ihnen zu hören.
Mit freundlichen Grüßen
Lukas Gerich
lukas.gerich@tu-dortmund.de
Sehr geehrter Herr Gerich,
vielen Dank für ihre Frage und dass Sie den Weg zu uns gefunden haben. Wir von pflegemarkt.com beobachten bereits seit über 10 Jahren den Markt und können daher auf eine lange Historie und unsere gemachten Erfahrungen zurück greifen. Trotz der Fülle an Daten, die uns in unserem hauseigenen System zur Verfügung stehen, zeichnet sich die Auswertung von derlei spezifischen Fragen immer als große Herausforderung. Eine eindeutige und unumstößliche Antwort kann hier natürlich nicht gefunden werden, dennoch versuchen wir stets mit der uns eigenen Vogelperspektive die Marktbewegungen zu analysieren und zu interpretieren. Womöglich helfen Ihnen unsere anderen Artikel zur Intensivpflege weiter. Unter anderem: Die Zuweiser der außerklinischen Intensivpflege, Deutsche Intensivpflegeversorgung flächendeckend mit sehr guter Qualität oder unser Datensatz zu Krankenhäuser mit relevanten Behandlungsfällen für die außerklinische Intensivpflege .
Mit freundlichen Grüßen,
Yannic Hertel
Fachredakteur pflegemarkt.com