Mit der jährlichen Auszeichnung Top 40 unter 40 werden junge Führungskräfte in der Pflege aus, die bereits zu den führenden Akteuren der Pflege gehören, wichtige Aufgaben im Pflegemarkt übernehmen und Innovationen vorantreiben. In diesem Jahr zählt auch Silvio Neubauer, Chief Operating Officer bei Alloheim Senioren-Residenzen SE, zur Auswahl der Top 40 unter 40. Wir haben in einem exklusiven Interview mit ihm darüber gesprochen, welchen Blick junge Führungskräfte auf die Branche haben, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert sind und was sie versuchen, anders zu machen.
Was begeistert Sie an der Pflegebranche und wie sehen Sie die Entwicklung des Marktes dieses Jahr und im kommenden Jahr?
Neubauer: Die Pflegebranche ist in vielerlei Hinsicht besonders. Sie bietet Gestaltungsmöglichkeiten, die es in anderen Branchen so oft gar nicht mehr gibt – man kann wirklich vieles bewegen und damit die Branche aktiv mitgestalten. In der Pflege sind einfach noch viele Fragen unbeantwortet, für die wir bei Alloheim ständig neue Lösungen entwickeln. Das beginnt beim Thema Digitalisierung und endet bei der Frage, wie ein effizientes, modernes Management einer Einrichtung gelingt. Das motiviert natürlich. Trotz dessen machen wir uns alle Gedanken über den hohen Reformbedarf, gerade vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage in Deutschland. Es ist noch nicht klar, wann die notwendigen politischen Entscheidungen getroffen werden. Das lässt einen nicht immer ruhig schlafen.
Haben Sie sich bewusst für die Branche entschieden und würden Sie sich wieder dafür entscheiden? Warum?
Neubauer: Ich habe mich Ende 2017 bewusst für die Pflege entschieden, und würde diese Entscheidung wieder treffen. In meiner Rolle als COO bin ich Bindeglied zwischen Strategie und Praxis. Ich habe die Möglichkeit, Ideen konkret umzusetzen und Strukturen zu schaffen, die unseren Bewohnern wirklich zugutekommen und ihre Lebensqualität verbessern. Diese Kombination aus Management-Verantwortung und echtem Mehrwert für Menschen macht die Arbeit in der Pflege für mich so wertvoll.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen in der Pflegebranche? (z.B. Regulierung, Digitalisierung, Wirtschaftlichkeit, Personal, …)
Neubauer: Ganz ehrlich, der Reformbedarf in der Pflege ist so groß, dass man an all diesen Themen arbeiten muss. In vielen Bereichen ist die Politik gefordert, deswegen konzentriere ich mich in meiner Rolle eher darauf, was ich im täglichen Tun beeinflussen kann. Und das ist ganz klar das Thema Personal: Wir müssen gute Arbeitsbedingungen schaffen. Dazu gehört eine hohe Qualität der Ausbildung, damit Fachkräfte auf die steigenden Anforderungen in der Pflege vorbereitet werden. Gleichzeitig muss alles dafür getan werden, Mitarbeitende langfristig zu halten. Nur so kann Kontinuität und Stabilität in der Versorgung gewährleistet werden.
Welche dieser Herausforderungen werden Ihrer Ansicht nach in 5 Jahren gelöst sein? (z.B. Regulierung, Digitalisierung, Wirtschaftlichkeit, Personal, …)
Neubauer: Auch das ist eine Frage der politischen Weichenstellung, weil wir uns in einem hoch regulierten Markt bewegen. Aber das größte Potential die Pflege nach vorne zu bringen, steckt in der Digitalisierung. Da würde ich mich freuen, wenn wir in 5 Jahren zurückschauen können und wirklich was erreicht haben. Ich gehe davon aus, dass digitale Lösungen dann noch stärker genutzt werden, um bürokratische Abläufe zu automatisieren und Pflegekräfte in ihrer Arbeit zu entlasten. Dadurch entsteht mehr wertvolle Zeit, die direkt den Bewohnern zugutekommt.
Ich würde mich außerdem freuen, wenn wir in 5 Jahren nicht mehr über die Insolvenzen von Einrichtungen sprechen müssen, sondern die Refinanzierung nachhaltig stabil aufgestellt haben. Damit die Pflege langfristig entlastet wird, muss die Finanzierung mit den steigenden Anforderungen und Kosten in der Branche Schritt halten.
Was versuchen Sie als junge Führungskraft anders zu machen? Welche Dinge funktionieren dabei gut und welche weniger gut?
Neubauer: Erfolg entsteht immer durch Teamwork und gute Kommunikation. Mir ist wichtig, dass meine Mitarbeiter Sinn und Ziel hinter jeder Aufgabe kennen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt eingebunden werden. Vertrauen und eine wertschätzende Mitarbeiterführung sind dafür die Grundlage. Ich frage mich oft: „Wie würde ich selbst in dieser Situation gerne geführt werden?“ Dieser Perspektivwechsel hilft mir, Entscheidungen zu treffen, die für das Team nachvollziehbar sind.
Buzzword KI – Was verstehen Sie darunter und wie kann KI konkret in der Pflege eingesetzt werden?
Neubauer: Wir sind in der Pflege noch ganz am Anfang, um für uns zu definieren, was KI überhaupt leisten kann. Das aktuell gewinnbringendste Feld ist für mich die Dokumentation. Hier können aus der Kombination aus KI und sprachgestützten Lösungen die Pflegekräfte wirklich entlastet werden, um Zeit für die Bewohner zu schaffen.
Über den Interviewpartner
Silvio Neubauer
„Ob unser hoher Anspruch an Pflegequalität und digitale Innovation in der Praxis gelebt wird und sich Mitarbeitende mit dem Unternehmen identifizieren, entscheidet sich am Ende in den Einrichtungen. Als COO bin ich Übersetzer und Ansprechpartner für unsere Regionaleiter:innen und Einrichtungen – sozusagen die Schnittstelle zwischen Strategie und Umsetzung. Hier kann ich direkt steuern, dass Ideen Wirklichkeit werden.“
Kommentar schreiben