Die Insolvenzen von Pflegeeinrichtungen haben bereits zu Jahresanfang 2023 zugenommen. Bislang haben im Jahr 2023 bereits mehrere große Betreiber aus der Pflege Insolvenz angemeldet. Die Gründe für die Insolvenzen sind vielfältig, aber die Auswirkungen auf die betroffenen Mitarbeiter, die Pflegebedürftigen und ihre Familien sind oft verheerend. In diesem Artikel werden wir die bisherigen Großinsolvenzen der Pflege im Jahr 2023 aufzählen und miteinander vergleichen. Darüber hinaus werden wir den Artikel regelmäßig aktualisieren, um neue Insolvenzen und Entwicklungen in der Pflegebranche zu berücksichtigen.

Inhaltsverzeichnis:


    Was ist ein Insolvenzverfahren?

      Ein Insolvenzverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das dazu dient, die Schulden eines insolventen Schuldners zu begleichen. Es gibt verschiedene Arten von Insolvenzverfahren, je nach Art des Schuldners (natürliche Person, Unternehmen usw.). Im Folgenden werden die allgemeinen Schritte eines Insolvenzverfahrens erläutert.

      1. Antrag auf Insolvenz: Ein Insolvenzverfahren beginnt mit einem Antrag auf Insolvenz. Dieser Antrag kann von einem Gläubiger oder vom Schuldner selbst gestellt werden. Der Antrag muss bei dem zuständigen Insolvenzgericht eingereicht werden.
      2. Eröffnungsverfahren: Das Insolvenzgericht prüft den Antrag und entscheidet, ob das Verfahren eröffnet wird oder nicht. Wenn das Gericht das Verfahren eröffnet, wird ein Insolvenzverwalter bestellt, der das Vermögen des Schuldners verwaltet. Wenn der Insolvenzeröffnungsantrag zulässig ist, muss das Insolvenzgericht von Amts wegen prüfen, ob die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen erforderlich ist um zu verhindern, dass die (zukünftige) Insolvenzmasse durch den Schuldner geschädigt oder vermindert wird,
      3. Schuldenbereinigung: Der Insolvenzverwalter prüft die Vermögenswerte des Schuldners und versucht, so viele Schulden wie möglich zu begleichen. Dazu gehört auch die Überprüfung von Ansprüchen von Gläubigern und die Sicherstellung von Vermögenswerten.
      4. Gläubigerversammlung: Die Gläubigerversammlung ist ein Treffen der Gläubiger, das vom Insolvenzverwalter einberufen wird. Hier werden die Schulden und Vermögenswerte besprochen und der Insolvenzverwalter informiert die Gläubiger über den Stand des Verfahrens.
      5. Verfahrensende: Das Insolvenzverfahren endet entweder, wenn alle Schulden beglichen wurden oder wenn der Insolvenzverwalter feststellt, dass das Vermögen des Schuldners nicht ausreicht, um alle Schulden zu begleichen. In diesem Fall wird das Verfahren beendet und der Schuldner wird von seinen restlichen Schulden befreit.

      Welche Arten von Insolvenz gibt es?

      Es gibt verschiedene Arten von Insolvenzverfahren, die je nach Art des Schuldners und der Art des Verfahrens unterschiedlich sind. Die drei wichtigsten Arten von Insolvenzverfahren sind:

      1. Regelinsolvenz: Die Regelinsolvenz ist das Insolvenzverfahren für Unternehmen und Selbständige. Hier wird ein Insolvenzverwalter bestellt, der das Vermögen des Unternehmens verwaltet und versucht, die Schulden zu begleichen. Die Gläubigerversammlung spielt eine wichtige Rolle in diesem Verfahren
      2. Verbraucherinsolvenz: Die Verbraucherinsolvenz ist das Insolvenzverfahren für natürliche Personen. Hier wird ebenfalls ein Insolvenzverwalter bestellt, der das Vermögen des Schuldners verwaltet und versucht, die Schulden zu begleichen. Der Schuldner muss in diesem Verfahren einen Insolvenzplan vorlegen, der von den Gläubigern genehmigt werden muss.
      3. Insolvenz in Eigenverwaltung: Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist eine besondere Form des Insolvenzverfahrens für Unternehmen. Bei dieser Art der Insolvenz bleibt das Unternehmen während des Verfahrens eigenständig und kann seine Geschäfte weiterführen. Die Geschäftsführung behält die Verantwortung für das Unternehmen und wird dabei jedoch vom Sachwalter überwacht. Im Rahmen der Insolvenz in Eigenverwaltung hat das Unternehmen die Möglichkeit, sich eigenständig zu sanieren und eine Insolvenz abzuwenden. Dabei wird ein Sanierungskonzept erstellt, das den Gläubigern vorgelegt wird. Ziel ist es, das Unternehmen wieder auf eine solide finanzielle Basis zu stellen und die Schulden zu begleichen.

      Welche Insolvenzen werden in diesem Artikel berücksichtigt?

      In der vorliegenden Analyse werden Regelinsolvenzen und Insolvenzen in Eigenverwaltung berücksichtigt. Um die Übersichtlichkeit zu bewahren werden in diesem Artikel nur Großinsolvenzen aus der Pflege berücksichtigt und verglichen. Als Großinsolvenz in der Pflege betrachtet die Redaktion Betreiber, die mehr als 1.000 Patienten versorgen bzw. mehr als 1.000 Plätze in verschiedenen Betreuungsformen anbieten. Eine monatliche Übersicht über alle Insolvenzen in der Pflege können Sie mit unserem Insolvenzradar erwerben. Weiterführende Informationen zu den Insolvenzen der einzelnen Betreiber und die dazugehörigen neusten Informationen finden Sie stets in dem verlinken Ticker.

      Der Insolvenzradar basiert auf der täglichen manuellen und maschinellen Recherche des Handelsregisters durch das Research-Team der pm pflegemarkt.com GmbH. Dabei sind alle Betreiber in der Pflegedatenbank mit Unternehmen aus dem Handelsregister gematcht. Erfolgt die Eintragung eines Insolvenzverfahrens für einen der Betreiber der Pflegedatenbank, wird dieser im Radar aufgelistet.

      Großinsolvenzen in der Pflege – Januar 2023

      CURATA Care Holding GmbH

      Am 06.01.2023 kündigte die Curata Care eine umfassende Sanierung ihres Unternehmensverbunds an. Um die vor diesem Hintergrund notwendige Restrukturierung umzusetzen, hat das Unternehmen für einzelne Gesellschaften der Gruppe Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Zu April 2023 wurden die Insolvenzverfahren für die CURATA Care Holding GmbH, die Catering Gebäude Service Mitte, die CP Care Property Management, die Curata Pflege GmbH sowie die Curata Seniorenresidenzen für Pflege und Betreuung GmbH eröffnet.

      • Insolvenzverfahren eröffnet am: 03.04.2023
      • Art des Insolvenzverfahrens: Insolvenz in Eigenverwaltung
      • Sach/Insolvenzverwalter: Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger
      • Grund für die Insolvenz: „Zusammentreffen unterschiedlicher, anhaltend wirtschaftlich belastender Entwicklungen“

      • Pflegeheime: 36
      • Pflegedienste: 2
      • Betreutes Wohnen: 2
      • Tagespflegen: 3
      • Wohngruppen: 4


      Convivo Holding GmbH

      Nachdem bereits am 24.01.2023 der WESER-KURIER von der Insolvenz berichtete, verkündete die Convivo Holding am 25.01.2023 selbst dass die Conivo Unternehmensgruppe am 23.01.2023 für die wesentlichen Gesellschaften Insolvenzanträge beim Amtsgericht Bremen gestellt hat. Das Gericht ordnete daraufhin vorläufige Insolvenzverwaltungen durch die Bestellung der Rechtsanwälte Dr. Malte Köster (Kanzlei WILLMERKÖSTER für Convivo Holding GmbH, Convivo Life GmbH) und Dr. Christoph Morgen (Kanzlei Brinkmann & Partner für Convivo Parks GmbH) an.

      • Insolvenzverfahren eröffnet am: 23.01.2023
      • Art des Insolvenzverfahrens: Regelinsolvenz
      • Sach/Insolvenzverwalter: Dr. Malte Köster, Dr. Christoph Morgen
      • Grund für die Insolvenz: „Mangel an Fachkräften, niedrige Belegungsrate, steigenden Kosten der Pflegereform, steigende Energie- und Sachkosten, allgemeine Preissteigerungen und steigende Pachten“

      • Pflegeheime: 62
      • Pflegedienste: 35
      • Betreutes Wohnen: 42
      • Tagespflegen: 25
      • Wohngruppen: 40


      Großinsolvenzen in der Pflege – Februar 2023

      Im Februar 2023 gab es keine Meldungen oder Eröffnungen von Großinsolvenzen in der Pflege.


      Großinsolvenzen in der Pflege – März 2023

      Hansa Pflege & Residenzen GmbH

      Am 15.03.2023 berichtete zuerst die Nordwest-Zeitung von der Insolvenz der Hansa-Gruppe aus Oldenburg. Wie die Redaktion erfuhr, sei der Pflegeheimbetreiber in wirtschaftliche Schieflage geraten und habe am 9. März 2023 für alle Einrichtungen ein Schutzschirmverfahren beantragt. Noch am selben Tag bestätigte die Kanzlei Schultze & Braun die Sanierung der HANSA Gruppe in einer Pressemitteilung.

      Am 05.06.2023 meldete die Hansa-Gruppe fortschritte bei der wirtschaftlichen Neuausrichtung. Die HANSA-Gruppe habe Fortschritte bei der wirtschaftlichen Neuausrichtung gemacht. Die Geschäftsführer gaben an, dass der Sanierungsplan weit fortgeschritten sei und das Hauptziel weiterhin darin bestünde, die Lebensumgebung der Bewohner und Arbeitsplätze zu sichern. Einrichtungen seien analysiert und Gespräche mit Beteiligten geführt worden. Die Verhandlungen mit Geschäftspartnern stünden kurz vor dem Abschluss.

      • Insolvenzverfahren eröffnet am: 20.03.2023
      • Art des Insolvenzverfahrens: Insolvenz in Eigenverwaltung
      • Sach/Insolvenzverwalter: Dr. Malte Köster
      • Grund für die Insolvenz: „ Die Herausforderungen, die den Pflegemarkt in Deutschland seit einigen Jahren prägen und die in jüngster Zeit durch externe Faktoren (Pandemie, Inflation) verstärkt wurden“

      • Pflegeheime: 24
      • Pflegedienste: 6
      • Betreutes Wohnen: 14
      • Tagespflegen: 1
      • Wohngruppen:


      Novent Holding GmbH

      Die Novent Unternehmensgruppe hat am 29.03.2023 ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren beantragt, um die verbesserten Sanierungs- und Restrukturierungsmöglichkeiten des Verfahrens zu nutzen. Das zuständige Amtsgericht Dortmund hat den Anträgen am 30.03.2023 stattgegeben und Rechtsanwalt Dr. Schulte-Kaubrügger, White & Case, zum vorläufigen Sachwalter bestellt.

      • Insolvenzverfahren eröffnet am: 30.03.2023
      • Art des Insolvenzverfahrens: Insolvenz in Eigenverwaltung
      • Sach/Insolvenzverwalter: Dr. Schulte-Kaubrügger
      • Grund für die Insolvenz: „Den strukturellen Herausforderungen für deutsche Alten- und Pflegeheime konnte nicht mehr anders begegnet werden“

      • Pflegeheime: 16
      • Pflegedienste:
      • Betreutes Wohnen: 4
      • Tagespflegen: 1
      • Wohngruppen:


      Großinsolvenzen in der Pflege – April 2023

      DOREA GmbH

      Die DOREAFAMILIE hat am 20.04.2023 eim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Weitere Teile der Unternehmensgruppe haben ebenso Anträge für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens gestellt. Am 28.04.2023 wurden vom Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Dr. Gordon Geiser, Jesko Stark und Dr. Benedikt de Bruyn zu vorläufigen Sachwaltern und vorläufigen Insolvenzverwaltern in den beantragten Insolvenzverfahren über das Vermögen der DOREA GmbH und einer Reihe von Tochtergesellschaften bestellt.

      • Insolvenzverfahren eröffnet am: 28.04.2023
      • Art des Insolvenzverfahrens: Insolvenz in Eigenverwaltung
      • Sach/Insolvenzverwalter: Dr. Gordon Geiser, Jesko Stark und Dr. Benedikt de Bruyn
      • Grund für die Insolvenz: „Enorm gestiegenen Kosten für Energie, Miete und Material“

      • Pflegeheime: 76
      • Pflegedienste: 9
      • Betreutes Wohnen: 18
      • Tagespflegen: 7
      • Wohngruppen: 3


      Vergleich der bisherigen Insolvenzen

      Ein Blick auf die bisherigen Großinsolvenzen des Jahres macht deutlich, dass diese aufgrund der Trägerstruktur zu einem großen Teil Auswirkungen auf den Betrieb von Pflegeheimen haben werden – fast 50 Prozent aller von den betroffenen Betreibern angebotenen Standorte sind auf die vollstationäre Pflege spezialisiert. 18,6 Prozent des Gesamtportfolios entfallen auf Betreutes Wohnen. Erst mit deutlichem Abstand folgen Pflegedienste (12,1 Prozent) und Wohngruppen (10,9 Prozent). Die Tagespflege (8,6 Prozent) hat mit insgesamt 37 Standorten den geringsten Anteil am Portfolio.

      Besonders erschreckend ist dieses Ergebnis, wenn man den Blick auf die zur Verfügung stehenden Plätze an den einzelnen Pflegeheimstandorten richtet: 18.600 vollstationäre Pflegeplätze sind im Jahr 2023 von den bisherigen Großinsolvenzen und Schutzschirmverfahren betroffen. Nicht eingerechnet sind dabei die vielen kleineren Insolvenzen oder auch bereits geschlossene Pflegeheime. Dass die stark steigenden Kosten in allen Bereichen durch COVID, Inflation und nicht zuletzt das neue Tariftreuegesetz zu Problemen führen werden, haben unsere Analysen bereits im letzten Jahr gezeigt.

      Vergleicht man die betroffenen Plätze und Angebote über alle Pflegebereiche hinweg, so zeigt sich, dass insbesondere die Insolvenz der Convivo zu einem deutlichen Einschnitt im Pflegebereich geführt hat. Mehr als 9.000 Plätze und Betreuungen über alle Sektoren des Pflegemarktes wurden von der Convivo angeboten und sind von der Insolvenz bedroht. Da die Convivo nicht als Ganzes verkauft werden konnte, wird das derzeitige Portfolio der Convivo abgewickelt und stückweise an einzelne interessierte Betreiber veräußert. Welche Standorte bereits von wem übernommen wurden, können Sie jederzeit unserer Übersicht entnehmen.

      Knapp hinter Convivo folgt die DOREAFAMILIE mit insgesamt knapp 9.000 Pflegeplätzen. Im Segment der vollstationären Pflege ist Dorea sogar die kapazitätsstärkste Insolvenz (6.687 Plätze). Dorea (Platz 12 der Top 30 Pflegeheimbetreiber 2023) gehört zu Maisons de Famille, die den Pflegeheimbetreiber im November 2018 übernommen hat. MdF gehört zu Creadev, der strategischen und langfristig orientierten Investmentgesellschaft der Familie Mulliez, die weltweit in 35 Ländern Unternehmen in verschiedenen Dienstleistungssektoren besitzt.

      Mit deutlichem Abstand folgt schließlich Curata Care mit knapp 4.000 Pflegeplätzen in allen Sektoren, dicht gefolgt von Hansa und schließlich Novent mit knapp 2.000 Pflegeplätzen in allen Sektoren.

      Insgesamt zeigt sich, dass von Insolvenzen und Schutzschirmverfahren derzeit insbesondere Betreiber mit spezialisierten vollstationären Portfolios betroffen sind. Allgemeine Kostensteigerungen, das Tariftreuegesetz und weitere anhaltende Herausforderungen in der Pflege stellen die Branche vor große Aufgaben.   

      Standortvergleich der Großinsolvenzen